Bad Aibling – Seit 20 Jahren gibt es das Gitarrenfestival „Saitensprünge“ in Bad Aibling. Nicht immer seien es erfolgreiche Jahre gewesen, wie Johannes Erkes in seiner Begründungsansprache zugab. Erkes hatte dieses Festival einst zusammen mit dem mittlerweile verstorbenen Landkreis-Kulturreferenten Klaus J. Schönmetzler begründet. Nunmehr, 20 Jahre später, sind diese Schwierigkeiten nur noch Erinnerung – das Festival ist längst eine Konstante im hiesigen Kulturleben.
Festivalleiter Thomas Jahn lud Künstler ein, die vor allem schon einmal in Bad Aibling gespielt hatten. Zur Eröffnung kam der brasilianische Stargitarrist Yamandu Costa, der in einem pausenlosen Konzert im großen Kurhaussaal das Publikum mit großer Virtuosität entzückte.
Von Anfang an reagierten die Zuschauer mit Bravorufen, anerkennenden Pfiffen und Beifall. Ganz in Schwarz war Costa gekleidet, nur sein großer Schal brachte etwas Farbe ins Spiel. Auf einem Tischchen nebenan hatte er einen Becher stehen, den er immer wieder aus einer Thermoskanne befüllte und aus dem er dazwischen immer wieder trank: Mate-Tee als musikbefeuernde Droge?
Yamandu Costa spielte auf einer brasilianischen siebensaitigen Gitarre, die mit einer zusätzlichen Basssaite bestückt ist. Sein einzigartiger Stil lasse sich „irgendwo zwischen Brazil, Choro und Samba finden“, steht im Programmheft etwas sibyllinisch zu lesen. „Choro“ ist ein typisch brasilianischer Musikstil, der eine Art Fusion von populärer europäischer Musik und der Musik von einst aus Afrika verschleppten Sklaven ist. Die meisten Choro-Kompositionen sind charakterisiert durch ein relativ hohes Tempo, eine Melodie- und Rhythmusstruktur, die auf Sechzehnteln beruht und samba-typisch phrasiert ist. Die mit hohem Tempo gespielten Melodielinien aus durchlaufenden Sechzehnteln erfordern vom Gitarristen hohe Virtuosität.
Genau diese atemraubende Virtuosität bei schnellstem Tempo zeigte Yamandu Costa. Hurtig liefen seine Finger an den Saiten auf und ab. Im „Choro“ spielen Improvisationen über ein Thema eine große Rolle. Und tatsächlich begann Costa mit einer melancholischen, leis schluchzenden Melodie, die er dann hochvirtuos umspielte, raffiniert zerflattern ließ, rhythmisch variierte und mit schnellen Läufen verzierte, dazwischen überraschte er mit hartem Anzupfen der Saiten oder mit Scat-Gesang.
Eine Samba gestaltete er rhythmisch sehr frei, genauso wie den bekannten Tango „El Choclo“, den er elegant dekonstruierte, sodass man schon genau hinhören musste, um die Melodie noch zu entdecken. Besonders schön waren zwei kolumbianische Tänze. Ein langsam-schwermütiger Tanz bestand aus einer Melodie, die sich wie selbst begleitete und deren Schönheit Yamandu Costa dramatisch zelebrierte. Mehr Temperament versprüht dagegen der „Porro“.
Alles, was Yamandu Costa spielte, hörte sich improvisiert an, frisch wie aus dem Augenblick geboren, und entpuppte sich dann doch als raffinert komponiert. Nach 90 Minuten hatte Costa sein Programm durcheilt. Er ließ sich aber gerne noch etliche Zugaben entlocken.
Festival „Saitensprünge“ in Bad Aibling, nächstes Konzert am morgigen Freitag, 8. November, Duo Alta Baviera, Lindner Hotel & Restaurant.