Neubeuern – Die Pianistin Ragna Schirmer hat anlässlich des 200. Geburtstages von Clara Schumann im Schlosssaal von Neubeuern ein umjubeltes Konzert gegeben. Zu den ausgewählten Stücken des Abends gab Schirmer dem Publikum zusätzlich hilfreiche Erläuterungen. Auf dem Programm standen Lieblingskompositionen von Clara Schumann, darunter eine Suite von Händel, Beethovens „Waldsteinsonate“ sowie von Robert Schumann Carnaval opus 9.
Mitreißend und
zugleich gefühlvoll
Aus Programmzettelsammlungen von Clara Schumann weiß man genau, was die Pianistin an welchem Ort und auf welchem Flügel gespielt hat. Schirmer, die sich schon seit Langem mit dem Werk Clara Schumanns befasst, gibt ihr zu Ehren im Jubiläumsjahr über 100 Konzerte.
Zunächst interpretierte sie Händels Suite in g-Moll HWV 432, deren einzelne Sätze sie im romantischen Gestus zu Gehör brachte. Händel steigert in dieser Suite die düstere Stimmung zu feierlichem Pathos. Die wuchtige Ouvertüre in französischem Stil mit den gewaltig schreitenden Bässen bildete zum zarten und ernsten Andante einen klangschönen Gegensatz. Nach der schlichten Sarabande und der kurzen Gigue spielte die Pianistin Schirmer die abschließende Passacaille mit mitreißender Rasanz.
Die sogenannte „Waldsteinsonate“ von Beethoven war Claras liebste Sonate. Das komplett aufgeführte Werk gilt für den Hörer als anstrengend. Früher war es üblich, aus dieser Sonate dem Publikum nur einzelne Sätze zuzumuten. Die Pianistin spielte dennoch die vollständige Sonate, denn, so Schirmer, das Neubeurer Publikum „ist das gewohnt“.
Die Waldsteinsonate in C-Dur opus 53 weist einen klassischen und harmonischen Aufbau auf. Mit ungestümer Leidenschaft interpretierte Schirmer das Allegro con brio. Die Pianistin spielte die vibrierenden Sechszehntelbewegungen des Hauptthemas und das strahlende Seitenthema kraftvoll und ausdrucksstark und ließ die Töne oft weit ausschwingen. Ergreifend anzuhören war nach dem unruhigen Beginn die wuchtig-ernste Melodie in der Einleitung zum Schlusssatz. Unbeschwert und heiter hingegen wirkte das Rondo, dessen rauschhafte Steigerungen Schirmer virtuos erklingen ließ.
Erotische Eskapaden
des Gatten vergessen
Dass Clara Schumann den Zyklus „Carnaval“ ihres geliebten Mannes nicht vollständig aufführte, erfuhren die Zuhörer mit Staunen. Denn manche Bilder, etwa das siebte Bild „Coquette“, bezogen sich auf erotische Eskapaden ihres Gatten, an die sie laut Schirmer nicht mehr erinnert werden wollte.
Die bunte Abfolge des Zyklus spielte Schirmer mit leidenschaftlichem Gestus. Melodisch aufwühlend zogen die Bilder der Geliebten und Freunde vorbei. Das Bild „Paganini“ spielte die Pianistin mit halsbrecherischen Staccati, „Chopin“ mit elegischer Gesanglichkeit. Das Treiben der Tänzer gipfelte in einem wilden Reigen, den Schirmer schwungvoll zu Gehör brachte. Als Zugabe nach dem enthusiastischen Beifall spielte die Pianistin noch Robert Schumanns „Träumerei“.
Georg Füchtner