Erl – Sehr groß ist die Neugier von Konzertbesuchern nicht: Beim Kammerkonzert der Münchner Philharmoniker im Festspielhaus Erl war es ein sehr intimer Kreis von Zuhörern, die unter dem Titel „Schilflieder“ Musik von völlig unbekannten Komponisten hören wollten. Dabei waren diese zu ihrer Zeit gefeiert, sind dann aber doch vergessen worden.
Die „Schilflieder“ auf Gedichte von Nikolaus Lenau von August Klughardt (1847 bis 1902) waren der schönste Programmteil: zauberhaft-melancholische Stimmungsbilder, klagend, aufgewühlt, wehmütig, stürmisch und still verendend, schwärmerisch der Klang der Viola (Burkhard Sigl), liebesklagend die Oboe (Kai Rapsch) und zart umspielend das Klavier (Nino Gurevich), dazu die Rezitation der fünf Gedichte durch Stefan Wilkening, der immer geradezu erstaunt schien von deren Sprachschönheit – Lieder ohne Worte auf Lieder mit Worten. Für diese aparte Trio-Besetzung gibt’s nur wenig Musik: Die Oboe hat ja immer etwas Wehklagendes, die Viola immer etwas edel Entsagendes, nur das Klavier ist sehr wandelbar.
Duftend fein gespielt war die brahmsisch sich verströmende Serenade f-Moll von Robert Kahn, (1865 bis 1951), einst gefeierter Kompositionsprofessor in Berlin, dann zur Emigration gezwungen. Meist in Moll gehalten ist diese einsätzige Serenade. Wenn mal Dur aufleuchtet, ist es wie ein Sonnenstrahl im Nebel.
Ebenso brahmsisch weit ausschwingend, melodiös und dazu sehr mitteilungsfreudig ist die Musik der „Deux Rhapsodies“ von Charles Martin Loeffler (1861 bis 1935). Der ist zwar in Deutschland geboren, fand aber in der französischen Musik seine künstlerische und in den USA seine politische Heimat, wurde Geiger im Boston Symphony Orchestra und dann Komponist.
Die Rhapsodien illustrieren fantastisch-naturmystische Gedichte von Maurice Rollinat, in denen es vor trübäugigen Fischen, Schreien schwindsüchtiger Kröten (durch das Bratschen-Flageolett imitiert), wassersüchtigen Kobolden und stöhnenden Dudelsäcken wimmelt. Die von Wilkening gelesenen Texte schlichen sich geradezu in die angespielte Musik hinein.
Michael White lebt noch und unterrichtet Komposition an der New Yorker Juilliard School. Auch sein „Introduction and Dance“ klingt spätestromantisch mit Jazz-Anklängen, wozu Wilkening die groteske Ballade „Drei Hasen tanzen im Mondschein“ von Christian Morgenstern rezitierte: Auch hier agierten die drei Musiker ungemein farbenreich, elegant und duftig.