Wasserburg – Heiter und stimmungsvoll begann der Advent in der Landwirtschaft in Staudham. Dort präsentierten Max Dietrich und Dr. Hans Küsters ihre Version der Weihnachtsgeschichte, frei nach Charles Dickens. Begleitet wurde die inszenierte Lesung von den Griesstätter Sängerinnen mit einer besinnlichen Stubenmusik.
Das seelenlose
Streben nach Geld
Mehr als zwei Dutzend Verfilmungen, diverse Theateradaptionen, Hörbücher und zuletzt ein Musical: Mit einem derartigen Erfolg dürfte Charles Dickens wohl kaum gerechnet haben, als er am 19. Dezember im Jahr 1843 „A Christmas Carol in Prose“ (Ein Weihnachtslied in Prosa), veröffentlichte. Was bislang noch fehlte; ist eine bayerische Variante in Versform. Die lieferten jetzt Max Dietrich und Dr. Hans Küsters. Dazu verlegte das Edlinger Autorenduo die Handlung aus dem viktorianischem London ins heutige München, in die Maxvorstadt und ins Hasenbergl. „Brauchst du Geld, dann lass dir sagen, leih es dir bei Geiz und Kragen.“ Wie Ebenezer Scrooge wird auch Xaver Geiz, ein Geldverleiher dessen Kontor „gleich hinterm Beck am Rathauseck“ liegt, als erstes vom Geist seines verstorbenen Geschäftspartners namens Kragen heimgesucht. Der kündigt ihm das Erscheinen dreier weiterer Geister in der Weihnachtsnacht an. Der Geist der vergangenen Weihnacht begleitet den griesgrämigen Geiz in dessen Jugend zurück.
Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht gewährt ihm Einblick, mit welcher Freude sein Neffe und sein unterbezahlter Sekretär den Heiligen Abend mit ihren Familien feiern. Noch immer ist Geiz von der Nutzlosigkeit des Festes überzeugt. Der Geist der zukünftigen Weihnacht aber zeigt ihm, was die Zukunft bringen wird. Geiz erlangt zur bitteren Erkenntnis, dass sein seelenloses Streben nach Geld völlig umsonst war. Er werde ohne Umkehr das nächste Weihnachten nicht mehr erleben und niemand wird ihm auch nur eine Träne nachweinen. Als er am Weihnachtsmorgen erwacht, beschließt er, sein Leben von Grund auf zu ändern. Der vorher hartherzige Menschenfeind wandelt sich zum Wohltäter. Wie bei Charles Dickens enthält auch die „Weihnachtsgschicht auf boarisch“ viel Gesellschaftskritik und appelliert an das Gute im Menschen. Geld ist nicht alles im Leben. Viel wichtiger ist es, ein Herz für seine Nächsten zu haben und Mitgefühl zu zeigen. Es gab viel zum Lachen und zum Nachdenken in der gut zweistündigen, zauberhaften Weihnachtsballade. Max Dietrich und Hans Küster erweckten die teils tragischen, teils komischen Figuren richtig zum Leben. Zudem verband die Lesung Münchner Lokalkolorit mit alpenländischer Tradition und bayerischer Lebensart.
Beim Andachtsjodler
stimmten alle ein
Auch die weihnachtliche Besinnlichkeit kam nicht zu kurz. Dafür sorgten die Griesstätter Sängerinnen mit adventlichen Liedern und weihnachtlicher Saitenmusik. Johanna Fischbacher und Julia Loibl begleiteten die Weihnachtsgeschichte mit Hackbrett, Gitarre und Gesang. Zum „Andachtsjodler“, einem geistlichen Lied, das oft im liturgischen Umfeld der Christmette gesungen wird, stimmte der ganze Saal mit ein. Weihnachten kann kommen, und vielleicht denkt der eine oder andere Besucher an das, was Weihnachten wirklich ausmacht. Das Publikum jedenfalls war von „Weihnachtsgschicht auf boarisch“ so begeistert, dass sich am Ende die Zuhörer klatschend von ihren Plätzen erhoben.
Wolfgang Janeczka