Geliebter Vater und Scheusal

von Redaktion

Rosenheimer Autorin über die Liebe einer Tochter

Harte Zeiten, harte Jugend, Krieg, Karriere im Nachkriegsdeutschland, und das im als besonders hart geltenden Baugeschäft: Leonhard Arbingers Lebensweg zum Tyrannen erscheint in Hildegard Weiss‘ Roman „Der große Arbinger“ vorgezeichnet.

Arbingers jüngere Frau Rosa ist sensibel und schüchtern. Doch sie leitet die Verwaltung der wachsenden Bauunternehmung. Die Ehe des Baulöwen bleibt auf der Strecke des wirtschaftlichen Erfolgs.

Tochter Ria, ein „Papakind“, steigt in das Unternehmen ein. Dann: Schlaganfall des Alten. Der geliebte Papa ist ein Schatten seiner selbst, unberechenbar aktiv, er verwüstet sein Zimmer oder den Garten – aber die Tochter pflegt ihn aufopferungsvoll, Mutter Rosa lebt losgelöst oberhalb des randalierenden Scheusals in ihrem Appartement. Tochter Ria steht unverbrüchlich zum Vater.

Hildegard Weiss präsentiert hier das berührende Szenario eines immer chaotischer werdenden Dementen, der von seiner ihn abgöttisch liebenden Tochter mit fast übermenschlichem Mitgefühl betreut wird. Ausgehend vom Schlagfanfall wirft die Autorin Schlaglichter auf die Lebensabschnitte des „großen Arbinger“, vom Bauernbub über den jungen Ehemann bis zum eiskalten Geschäftsmann.

Mit Humor schildert die Rosenheimer Autorin das Leben eines Mannes, der möglicherweise eine Nuance der Charakterzüge ihres eigenen geliebten Vaters trägt. Hier haben wir einen Roman, der unterhaltsam lehrt, wie man mit alten Menschen umgehen kann, wenn sie nicht mehr Herr ihrer Gedanken sind.

Hildegard Weiss: „Der große Arbinger“, Roman, Verlag Donata Kintzelbach, Mainz 2019, gebunden, 200 Seiten, ISBN 978-3942490-40-5, 20 Euro.

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