Erinnerungen an eine Odyssee in die Heimat

von Redaktion

Klaus Willmann erzählt Kriegserlebnisse aus der Sicht des Zeitzeugen Hans Fackler

Je weiter der Zweite Weltkrieg mit all seinen Schrecken und Verbrechen zeitlich in den Hintergrund rückt, umso notwendiger wird es, die letzten noch lebenden Zeitzeugen zu befragen. Der Rosenheimer Autor und Verleger Klaus G. Förg hat mit seinem Buch „Irgendwie überlebt“ dazu die Initiative ergriffen und die Zeitzeugenbefragung als langfristig angelegtes Projekt für weitere Veröffentlichungen im Rosenheimer Verlag geöffnet, wie beispielsweise den Tatsachenroman „Morild“ von Viktoria Schwenge (wir berichteten).

Nun hat der international erfolgreiche Autor Klaus Willmann die abenteuerliche Geschichte Hans Facklers (geboren 1926) in Romanform aus dessen Perspektive erzählt. Seit 1967 lebt der heute hochbetagte Fackler in der Nähe der Marktgemeinde Glonn. Obwohl Titel und Untertitel des Buches („Schreie der Ertrinkenden/Von der Ostfront bis zum Untergang der Gustloff“) zunächst suggerieren, dass die Schiffskatastrophe in der Danziger Bucht am 30. Januar 1945 Schwerpunkt der Handlung sei, stellt sie eher einen Wendepunkt in der Biografie Facklers dar. Er überlebte dabei mit viel Glück. Rund 9000 Passagiere waren damals im eisigen Wasser der Ostsee ums Leben gekommen.

Die Stationen davor beginnen mit Facklers Kindheit in München und seinem Einzug als 17-Jähriger in den Reichsarbeitsdienst, wo er bereits dem strengen militärischen Drill ausgesetzt ist. Nach kurzer Zeit bei den Ingolstädter Pionieren gelangt er 1943 über Jugoslawien und Ungarn an die Ostfront in der Ukraine. Dort entkommt er mehrmals knapp dem Tod, an dessen Allgegenwart er sich langsam gewöhnt hat und der ihn resümieren lässt: „Die anfängliche Begeisterung (…) war einer schwer zu beschreibenden Ernüchterung gewichen.“

Beim etappenweisen Rückzug ist Fackler an einer Brückensprengung am Dnjestr beteiligt und erlebt Plünderungen, Verwüstungen und Morde vonseiten der Wehrmacht. Das lässt ihn immer mehr zum Gegner dieses Krieges werden. Erschöpft und schwer verletzt gelangt er auf dem Rückzug mit seiner Truppe über Polen nach Ostpreußen und mit über 10000 Flüchtlingen auf das Passagierschiff „Wilhelm Gustloff“, das von einem sowjetischen U-Boot torpediert wird und sinkt.

Im letzten Drittel des Buches geht es um die abenteuerliche Odyssee von Ostpreußen nach Bayern und die Zeit danach. Fackler flieht mit einem Kameraden vor der heranrückenden russischen Armee zunächst mit dem Zug bis Thüringen und von dort weiter zu Fuß über Umwege durch von Amerikanern besetztes Gebiet ins zerbombte München. Auch die Zeit nach dem Krieg bis 1967 ist turbulent: Wesentliche Stationen sind unter anderem die Währungsreform, Arbeit im Residenztheater und in der Schweiz, ein gefährlicher „Ausflug“ in die Ostzone, das Wirtschaftswunder und zuletzt die Familiengründung.

Fazit aus dem 2018 verfassten Vorwort: „Wir können nur wünschen und hoffen, dass es weiterhin gelingen möge, den Frieden in Europa zu erhalten (…) und im Rahmen unserer Einflussmöglichkeiten weltweit Frieden zu stiften, wo heute noch Krieg herrscht.“

Richard Prechtl

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