Kolbermoor – Es ist schon ein programmatisches Kunststück, nichts von dem zu spielen, was in den 76 Orgelkonzerten davor gespielt worden ist. Dr. Martin Welzel hat dieses Kunststück beim 77. Kolbermoorer Orgelmittwoch in der Kirche Wiederkunft Christi fertiggebracht. In flottem Tempo floss die Fuge über „Meine Seele erhebt den Herrn“ BWV 733 von Bach dahin, bewusst phrasiert und sich immer mehr steigernd bis zum machtvollen Aufscheinen des Themas im Pedal.
Aus den „Sechs Trios“ op. 47 von Max Reger hatte Welzel drei ausgewählt: Besonders erfreute die heiter hüpfende „Gigue“, deren Dreiertakt Welzel heraushob, während die breit ausgespielte „Canzonetta“ versonnen vor sich hin sang.
Dann gab’s wenig bis gar nicht bekannte Komponisten: Über die französische Organistin Jeanne Demessieux (1921 bis 1968) hat Welzel seine Doktorarbeit geschrieben. In Frankreich wurde sie glühend verehrt, man sagt ihr nach, sie habe über 2500 Orgelwerke auswendig beherrscht. Ihr Choralvorspiel über „Attende Domine“ überzeugt mehr durch den farbenreichen Klang als durch hörbare Struktur, man meint, ein bisschen „Parsifal“-Anklänge herauszuhören. Sehr farbenreich war auch die Registrierung, die Welzel gewählt hat.
Der 1951 in Dallas/Texas geborene George Baker ist nicht nur ein berühmter Organist, der als erster Amerikaner das gesamte Orgelwerk von Bach aufgenommen hat, sondern auch studierter Mediziner und Manager.
Harmonisch mäßig modern ist sein Choralvorspiel über „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, bewegter ist „L’Envoi“, zu Deutsch: Sendung oder Gabe. Das Stück kommt wie eine feurige Toccata daher, wird durch Doppeltriller aufgeheizt und stürmt dann einem furiosen Ende entgegen.
Das Publikum applaudierte herzlich dem gelassen-souveränen Spiel des Organisten, der sich mit einem der „Monologe“ op. 162 von Gabriel Rheinberger bedankte – ein Stück, das auch noch nie beim Orgelmittwoch gespielt worden war.