Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

von Redaktion

Vo Ort zu Ort Weil es immer wieder zu Verwechslungen kam, wurde aus Thalscheid Taigscheid

Reischenhart – Wo ist Taigscheid? Ohne Navi ist der Weiler mit dem außergewöhnlichen Namen nicht ganz leicht zu finden. Er liegt südöstlich von Reischenhart am linken Innufer. Der Wegweiser ist mit seiner Angabe von 300 Metern ungewöhnlich präzise. Ein Ortsschild fehlt allerdings, wenn man nach diesen 300 Metern eine Gruppe von Bauernhäusern erreicht.

Wäre das nicht ein Fall für Franziska Taxer aus dem nahen Thalreit, die seinerzeit eigenhändig ein altes Ortsschild restauriert und auf den neuesten Stand gebracht hat? Dieses ist an einem großen Bauernhaus angebracht und gibt klare Auskunft davon, wo man sich gerade befindet, nämlich „z Doireit“!

Das Auskunftgeben funktioniert in Taigscheid auch anders: Man fragt einfach einen Bauern bei der Arbeit danach, wie man Taigscheid auf Bairisch ausspricht. Nach kurzer Musterung des Fragestellers gibt sich der Landwirt als Bruder einer guten Jugendfreundin des Fragestellers zu erkennen. Hans Wernberger lädt sodann zum „Hausbaanggän“ – zum gemeinsamen Sitzen auf der Hausbank – vor seinem Anwesen „Bein Gnoin“ ein, das er aber nicht „Gnoinhof“ nennt. Wie viele andere Landwirte ist auch er nicht so ganz begeistert von der modernen Sitte, bei den Hausnamen ständig das Wort „hof“ anzuhängen. Moarhof heißt es heutzutage in den Übernachtungsverzeichnissen, anstatt: „Bein/Beim Moar“.

Aber zurück zur bairischen Aussprache von Taigscheid. Wernberger erklärt: Der Ort hieß früher Thalscheid. Wegen der ständigen Verwechslung mit Thalreit, insbesondere bei Postsendungen, schrieb man „Taigscheid“. Das Tal im Namen blieb aber in der lokalen Aussprache erhalten: „Doischeid“. Eine schlüssige Erklärung, aber hält sie auch den Erkenntnissen der Ortsnamenkunde stand?

Bei Hans Mexner lesen wir in seinem Standardwerk „Die Ortsnamen der Gegend um Rosenheim“ über die Namensentwicklung von Taigscheid: 1224 ist Taigscheid als Taischiz, etwas später als Taysches, 1424 als Taisichen (für Tayschies) belegt. 1454 wird der Name der heutigen Schreibung ähnlicher: „Im Taigschaid“, während er im 16. Jahrhundert im Salbuch von Herrenchiemsee „Tayschgeschies“ heißt. Hans Meixner erläutert: Zu mittelhochdeutsch „tich“ = „muldenartige Vertiefung, auch wässerige Niederung“ und „das Geschieß“ = „Scheidewand“. Meixner verdeutlicht: „Der Weiler liegt an der Grenze der tiefer gelegenen, sumpfigen Innauen.“

Schon möglich: Aus „tich“ wird neuhochdeutsch „Teich/Taich“, geschrieben als „Taig/Tai“. „Gschieß“ wird durch „Scheid“ ersetzt. Das „Geschieß“ war laut Johann Andreas Schmeller („Bayerisches Wörterbuch“) auch die Giebelseite beim Bauernhof. Der „Vo Ort zu Ort“-Schreiber hat wohl kein Glück mit der Erklärung vom romanischen Wort tegaria, das auch „tai“ geschrieben wurde und „Hirtenhütte“ bedeutete. Die zeitgemäße Erklärung des Gnoiner Hans bassad aber schoo aa!

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