Erst Gegner, dann Befreier, schließlich Freunde

von Redaktion

Brian Rampps Bildband über die Amerikaner in Deutschland enthält auch Rosenheimer Motive

Rosenheim – Bizarr ragen verbogene Eisenbahnschienen aus einer chaotischen Schuttwüste hervor, im Hintergrund sind ein Wald und in der Ferne die Alpensilhouette mit dem Wendelstein in der Mitte zu erkennen. Es ist ein Bild vom völlig zerbombten Rosenheimer Bahnhofsgelände, aufgenommen von einem US-amerikanischen Militärfotografen und veröffentlicht in dem Bildband „Amerikaner in Deutschland 1943-1960“. Herausgeber und Verfasser ist Brian Rampp, der in enger Zusammenarbeit mit dem Rosenheimer Verleger und Autor Klaus G. Förg Bildmaterial aus seinem 10000 Fotografien umfassenden Fundus ausgewählt hat. Die Originale lagern in den U.S. National Archives in Washington D.C.

Der Fotoband bietet wertvolles zeitgeschichtliches Anschauungsmaterial und ist eine wahre Sensation, denn er enthält zum Teil bisher unveröffentlichte Momentaufnahmen vom Eingreifen der Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg und den Jahren danach, wobei natürlich Bayern als Teil der amerikanischen Besatzungszone einen Schwerpunkt bildet.

Ursprünglich hatte Brian Rampp, Politikchef der Audi AG und Verfasser von Eisenbahnbüchern, einen Band eben über Eisenbahnen herausgeben wollen. Erst im Gespräch mit seinem Verleger Klaus G. Förg ist die Idee zu dieser historischen Veröffentlichung entstanden, passt sie doch in die Reihe von Förgs Zeitzeugenbüchern und liefert wertvolles Quellenmaterial. Übrigens hatte schon Rampps Vater von 1953 bis 1955 in einer Artillerie-Einheit der U.S. Army in Dachau gedient und ist auch auf einem Foto als junger GI 1954 in seinem Jeep auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr zu sehen. Anhand der Bilder lässt sich anschaulich nachvollziehen, wie aus den amerikanischen Besatzern zuerst Beschützer, Helfer und schließlich Freunde wurden. So beginnt der Band mit Szenen aus dem im Januar 1943 einsetzenden Luftkrieg, die oft vom Flugzeug aus aufgenommen wurden. Man sieht die Bomber im nicht ungefährlichen Formationsflug, einmal über den Wolken, dann wieder aus der Vogelperspektive samt Gelände- beziehungsweise Städtegrundriss und nicht zuletzt bei der Überquerung der Alpen.

Rosenheim ein strategisches Ziel

Der Rosenheimer Bahnhof spielte in diesem Zusammenhang als strategischer Verkehrsknotenpunkt eine besondere Rolle und war deshalb gerade gegen Ende des Krieges ein häufiges Ziel der Bombardements. Neben dem eingangs erwähnten Bild sind dazu zwei weitere Fotos vom zerstörten Bahnhof mit seinen extrem verbogenen Gleisen sowie zwei Luftaufnahmen zu sehen. Deutlich erkennt man dabei auf der einen Aufnahme vom Flugzeug aus sieben Bomben, die gerade über dem Keferwald abgeworfen werden, und auf der anderen den dichten Explosionsqualm über dem Bahnhof, daneben das Gelände bis zum Brückenberg und den ESV-Sportplatz. Es folgen Aufnahmen vom Einmarsch der Amerikaner, vor allem bei der Einnahme des Führerhauptquartiers auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden samt Hitlers Berghof, den SS-Männer vor ihrer Flucht in Brand gesetzt hatten. Interessant für die Region ist auch das Bild von den etwa 2000 deutschen Kriegsgefangenen, die auf der Autobahn bei Rosenheim wohl in Richtung Bad Aibling zum Gefangenenlager marschieren, wo so prominente Personen wie Günter Grass oder Joseph Ratzinger interniert waren.

Seltenheitswert haben auch Fotos von vorgefundenen Bauteilen der „Wunderwaffe“ V2 oder von Flugzeugattrappen aus Pappe, die ein großes Luftwaffenpotenzial der Wehrmacht vortäuschen sollten. Aufnahmen aus dem Alltag gegen Ende des Krieges verdeutlichen die prekäre Situation der Bevölkerung, die sich zu Plünderungen hinreißen ließ.

Zu den spektakulärsten Fotos gehören wohl die durch eine explodierte Bombe hoch aufgestellte Lokomotive, sechs mit Flüchtlingen besetzte Zirkuswagen oder das chaotische Trümmerfeld vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Außergewöhnlich ist auch die Aufnahme des in Rosenheim geborenen Hermann Göring. Sie zeigt, wie der NS-Funktionär in Augsburg nach seiner Gefangennahme sämtliche Orden von seiner Uniform selbst entfernen durfte.

Einige Bilder geben Zeugnis vom vorangegangenen Terrorsystem der Nazis, wenn sie dokumentieren, wie ehemalige Häftlinge des KZ Dachau ihren Befreiern erleichtert zujubeln, ein US-Soldat sich mit zwei ehemaligen Häftlingsfrauen vor einem Güterwagen unterhält, auf dem die Leichen ermordeter KZ-Häftlinge liegen, oder ein russischer Häftling in Buchenwald einen deutschen Wachmann als seinen ehemaligen Peiniger identifiziert.

Dass die Amerikaner nicht nur als Eroberer, sondern vor allem auch als Befreier von der NS-Zwangsherrschaft kamen, belegen zudem mehrere Bilder mit lächelnden deutschen Kriegsgefangenen, besonders das dreier erst 14-jähriger Soldaten, die, froh darüber, den Krieg überlebt zu haben, glücklich in die Kamera blicken.

Im letzten Teil des Buches kann man nachvollziehen, wie die Amerikaner auch nach dem Krieg immer mehr zu Helfern und Freunden wurden. Allein die Luftbrücke nach West-Berlin mit ihren „Rosinenbombern“ während der Blockade durch die Sowjets ist Motiv mehrerer Bilder, auf denen vor allem glückliche und dankbare Kinder zu sehen sind. Auch die Jazzmusik, die die Amerikaner mit nach Deutschland gebracht haben, ist eine Musik der Freiheit. So zeigt ein Bild das Army Air Force Orchestra, das nach dem Tod seines legendären Bandleaders Glenn Miller im Dezember 1944 weitergeführt worden ist, bei einem seiner Konzerte in Deutschland.

Die Botschaft, welche die vielen fotografisch hochwertigen Bilder insgesamt enthalten, ist ein Appell, Freundschaften zu pflegen und jeglicher Kriegsverherrlichung oder Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten. So erscheint dieser Bildband mit seinen vielfach auch atmosphärischen Fotografien gerade zur rechten Zeit.

*

Der Bildband „Amerikaner in Deutschland 1943-1960“ ist ab Dienstag, 5. Mai, auch in den Geschäftsstellen der OVB-Heimatzeitungen erhältlich. Die Geschäftsstellen sind dienstags bis freitags jeweils von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Und zum Vormerken: Brian Rampp hält am 19. November im OVB-Medienforum einen Vortrag zu seinem Buch mit Fotodokumentation.

Artikel 2 von 2