Riedering – Er ist Theaterleiter, Schauspieler, Autor und Regisseur: Der gebürtige Münchner Bernd Helfrich hat das Chiemgauer Volkstheater als Chef zusammen mit seiner Frau Mona Freiberg mit über 220 Bühnen- und TV-Produktionen zu einem der erfolgreichsten deutschen Bühnenensembles gemacht. Am morgigen Sonntag, 30. August, feiert der Paradebayer aus zahlreichen Film- und Kinoproduktionen seinen 75. Geburtstag. Im Interview gibt er Einblick in sein Erfolgsrezept, verrät mehr über seine Schwäche für Fußball und Eishockey und seine Vorbilder.
Ihr Vater Lothar Kern leitete viele Jahre das Tegernseer, Ihre Mutter Amsi das Chiemgauer Volkstheater. Gab es bei Ihnen in der Jugend andere Pläne als Volksschauspieler zu werden?
Mit 14 wollte ich eigentlich Damenfriseur werden. In dem Salon in der Briennerstraße in München hingen so tolle Plakate und ich schwärmte davon, dass sich die schönen und eleganten Damen von mir die Haare machen lassen wollten.
Aber es kam ganz anders.
Mit 15 fragte mich mein Vater, ob ich nicht Lust aufs Theater hätte, weil der Nachwuchs knapp war. Ich sagte zu, kam viel herum und hatte auf der Schauspielschule in Stuttgart Sprechunterricht bei der Opernsängerin Anna Silja, die bereits mit 17 als Wagner-Wunderkind gefeiert wurde.
Gab es Vorbilder für Sie als Schauspieler?
Gustl Bayerhammer war mit seiner kraftvollen Art und Souveränität eine wichtige Größe für mich. Im Münchner Residenztheater stand ich bei Thoma-Einaktern und im „Brandner Kasper“ auf der Bühne und habe mir viel von den alten Hasen abgeschaut. Ihre Mimik und Gestik studiert oder wie sie Gefühle und innere Prozesse umsetzen. Ich wusste, irgendwann kann ich das brauchen.
Eine Ihrer Paraderollen war der junge Liebhaber.
Da konnte ich mir einiges von Maxl Graf abschauen. Später habe ich mich in dieser Rolle mit Gerhard Lippert beim Komödienstadel abgewechselt.
Bekannt geworden sind Sie 1977 in der Rolle des Verführers und Gastwirts Franz Merkl im TV-Zweiteiler „Bolwieser“. Wie wurde der Regisseur Rainer Werner Fassbinder auf Sie aufmerksam?
Er kannte mich wohl von einigen Fernsehproduktionen und hat mich zum Vorstellungsgespräch in seine Münchner Wohnung eingeladen. Dort war alles schwarz, Wände, Badezimmer, Betten. Die Produktionscrew saß in der Küche und ließ einen Joint kreisen. Für mich eine sehr ungewöhnliche Situation, aus der mich Fassbinder in der Runde mit den Worten „Lasst das, der Bernd will das nicht“ befreit hat. Das war Wahnsinn!
Wie war die Arbeit mit Fassbinder?
Die Regielegende war von einer anderen Welt, aber auch genial. Am Set war es irgendwie verrückt. Er hat einen spielen lassen und dann ganz dezent mit Verbesserungsvorschlägen auf die richtige Spur gebracht. In einer Liebesszene mit der Hauptdarstellerin Elisabeth Trissenaar sagte er mir: „Schau ihr tief in die Augen und steh‘ dann amerikanisch auf.“ Das hieß, sich ganz langsam und sehr bildwirksam zu erheben.
Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Eishockeytor haben Sie offensichtlich eine ganz gute Figur gemacht, oder?
Richtig. Ich war diesbezüglich Spätberufener, obwohl ich immer schon sehr sportlich war. Mit Franz Beckenbauer stand ich zum Beispiel im Fußball zusammen in der Schülermannschaft. Später war ich als Torwart aktiv und kam durch Zufall beim Zuschauen zu den Rosenheimer Starbulls, die in den 80er- Jahren dreimal Deutscher Meister waren. Als Torwart habe ich mich ein paar Jahre ins Training reingefressen und durfte 1984 als Ersatz für Karl Friesen aufs Eis, als der bei den Olympischen Winterspielen war.
Ihr Engagement im Eishockey inspirierte offensichtlich auch die Autoren für eine Folge des „Bullen von Tölz“.
In der Tat. Das Drehbuch hatte aber wenig mit der Realität zu tun, sodass ich mir zum Überarbeiten über den Materialwart in Rosenheim Informationen über die Trainerlegende Hans Zach geholt habe. Der Effekt beim Drehen war dann, dass sogar die engagierten Eishockeyprofis zusammengezuckt sind, wie ich sie als knallharter Trainer zur Schnecke gemacht habe.
Nach 214 TV-Produktionen hat sich der Bayerische Rundfunk 2018 vom Chiemgauer Volkstheater getrennt. Warum?
Dass man sich nach knapp 25 Jahren vielleicht mal trennt, ist ja in Ordnung, nicht aber das Wie! Wir hatten jahrelang ein super Verhältnis mit den Fernsehdirektoren und haben uns regelmäßig über Verbesserungsvorschläge ausgetauscht. Die letzten fünf Jahre herrschte dagegen Eiszeit. Es gab keine Herzlichkeit und keine Verbindung mehr. Dann haben wir bei einem Treffen mit der Redaktion am Irschenberg erfahren, dass der neue Fernsehdirektor keine Zusammenarbeit mehr wünscht. Die Quoten waren zwar in Ordnung, aber der Sender müsse sparen, hieß es. Diese kühle Art der Verabschiedung war alles andere als ein Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung.
Im Februar standen Sie das letzte Mal auf der Bühne. Wie gehen Sie als Chef des Chiemgauer Volkstheaters mit der Corona-Krise um?
Wir konnten zum Glück unsere letzte Tournee noch vor Corona beenden. Aktuell fallen 54 Aufführungen in der Komödie im Bayerischen Hof flach. Nach der Produktion wollte ich mit 75 Jahren eigentlich von der Bühne abtreten. Das zieht uns jetzt den Boden unter den Füßen weg. Anfangs haben wir die Ruhe genossen, jetzt bangt man von Woche zu Woche. Aktuell laufen die Planungen für 2021. Ich hoffe, dass wir dann mit unserem Stamm-Ensemble wieder durchstarten können.
Interview: Axel Effner