„Oft habe ich mir vorgestellt, mit welcher Freude und mit welchem Genuss ich die wenigen Kilometer von Rosenheim nach Pang zurücklegen werde. Doch jetzt schäme ich mich wegen meiner abgerissenen Kleidung, meines ausgefransten Rucksackes, meiner Holzschuhe und nicht zuletzt meines vom Wasser aufgedunsenen Gesichtes.“ So äußert sich im November 1948 Josef Sedlmeier in dem biografischen Tatsachenroman „Hinter rotem Stacheldraht“, als er nach dreijähriger sowjetischer Kriegsgefangenschaft gerade in Rosenheim angekommen ist. Der Rosenheimer Autor Klaus G. Förg schildert in diesem ergreifenden Buch der verdienstvollen Reihe seiner Zeitzeugenpublikationen die Erlebnisse Sedlmeiers aus dessen Perspektive. Als Grundlage dienen ihm dazu einige seiner Aufzeichnungen sowie intensive zeitgeschichtliche Recherchen.
Der Leser kann die abenteuerlichen Ereignisse des 1921 in München geborenen Tapezierers unmittelbar nachempfinden, da der Autor sich in die Gedanken und Gefühle Sedlmeiers mit viel Gespür hineinversetzt und sie anschaulich als Ich-Erzähler wiedergibt.
Nach Sedlmeiers Einberufung zum Reichsarbeitsdienst, wo er ständig Schützengräben ausheben muss, kommt er als Soldat zunächst in die Normandie nach Frankreich und anschließend wegen einer Verletzung ins Lazarett nach Wiesbaden. Dort erlebt er seine schönste Zeit während des Krieges, über den er wenig berichten wolle, weil dieser eine „furchtbare Phase“ seines Lebens gewesen sei und die Deutschen darin vielen Menschen unsägliches Leid zugefügt hätten.
Sedlmeier geht es um die Zeit seiner Gefangenschaft, deshalb wechselt auch der Autor ab den Geschehnissen vom 9. Mai 1945 in seiner Darstellung ins sogenannte Historische Präsens, mit dem er den Leser die Ereignisse unmittelbarer nachvollziehen lässt.
Sedlmeier gerät nach seinem Einsatz an der Ostfront beim Versuch, sich nach Westen abzusetzen, in der Tschechoslowakei in sowjetische Gefangenschaft, wo er eine Odyssee durch verschiedene Stationen durchläuft. Über Ungarn, Rumänien, Polen, Litauen und Lettland kommt er schließlich in verschiedene Lager in der russischen Kaukasusregion. So muss er beispielsweise in Newinka, Georgijewsk oder Pjatigorsk unter oft unwürdigen Bedingungen harte Zwangsarbeit leisten, Hunger leiden oder Demütigungen erdulden.
Dreieinhalb Jahre verbringt Sedlmeier so in Gefangenschaft, wobei er immer wieder auch von positiven Erlebnissen mit russischen Zivilisten, nachsichtigem Lagerpersonal oder Mitgefangenen, die seine Freunde werden, erzählt. Andererseits wird er von einem deutschen Kommandanten, der „größten Sau“, schikaniert oder berichtet von einem deutschen Antifa-Propagandisten, der sich als ehemaliger SS-Posten in Dachau entpuppt.
Auch viele regionale Bezüge sind in diesen Lebenserinnerungen enthalten. So kommt es zu Begegnungen mit Gefangenen aus Rosenheim oder Frasdorf. Nach der Gefangenschaft lernt er auf dem Heimweg nach Pang sogar seine spätere Frau kennen. Insgesamt ist dieser Zeitzeugenroman ein ergreifendes Leseabenteuer, ein Statement gegen Krieg, Hass und populistische Ideologien, das vor allem auch junge Leute lesen sollten.