Drei 80er in der Städtischen Galerie

von Redaktion

Arbeiten von Erika Maria Lankes, Fried Stammberger und Peter Tomschiczek

„Der Flüchtlingsjunge“, Erika Maria Lankes, 1998.Foto re

Rosenheim – Normalerweise wäre die Städtische Galerie Rosenheim am Donnerstagabend brechend voll gewesen: Eröffnet wurde dort die Ausstellung „Die 80er! – Rosenheimer Künstler in Retrospektive“ mit Arbeiten der Bildhauerin Erika Maria Lankes sowie der Maler Fried Stammberger und Peter Tomschiczek – drei Persönlichkeiten, die das Rosenheimer Kunstleben über Jahrzehnte mitgeprägt haben und die alle heuer ihren 80. Geburtstag feiern. Zu anderen Zeiten wären aus diesem Anlass wohl zwei-, dreihundert Besucher gekommen. Doch wegen der Corona-Auflagen waren nur 50 Gäste zugelassen und das Team um Galerieleiterin Monika Hauser-Mair musste viele Interessenten mit Absagen enttäuschen.

Schonungslose
Authentizität

Ins Auge des Besuchers fallen gleich die freistehenden, in der Mitte der Räume platzierten Figuren von Erika Maria Lankes. Ihre Arbeiten aus eingefärbtem Polyester sind keine hyperrealistischen, lebensechten Darstellungen. Wollen andere Künstler, die mit Kunststoff arbeiten, den Betrachter mit Darstellungen wie im Wachsfigurenkabinett verblüffen, ist ihren Skulpturen das Gemachte anzusehen. Die schrundigen Oberflächen, die manchmal knolligen Gesichter lassen keinen Zweifel entstehen. Was ihre Figuren auszeichnet, ist ihre schonungslose Authentizität. Lankes so genauer Blick fängt Menschen in ihrer Vielschichtigkeit unbestechlich ein.

Sie stellt gerne die „kleinen Leute“ in Alltagsszenen dar, empathisch, ohne bloßzustellen, aber auch ohne zu romantisieren. Ihre oft lebensgroßen Arbeiten – Einzelfiguren ebenso wie Gruppen – sind Sozial- und Milieustudien, erzählen Geschichten, ja ganze Leben. Ein Schicksal wird gegenwärtig in der Arbeit „Die Flüchtlingsfrau und ihr Kind“. Im Gesicht der Frau spiegeln sich Verzweiflung, Schrecken und Lethargie. Das Kind in ihrem Arm streckt der Mutter die Hände entgegen, doch die ist zur Zuwendung nicht fähig. Oder „Der Flüchtlingsjunge“: Eine lebensgroße Figur steht in einem geöffneten, vollgestopften Koffer auf alten Matratzen, die sich auf einem zusammengebrochenen Feldbett stapeln. Ein Kind, dessen Blick gar nichts Kindhaftes mehr hat, entwurzelt, das nicht weiß, wo es hingehört.

„Panta rhei“ – alles fließt, hat Fried Stammberger einen seiner Bilderzyklen genannt und es scheint eine treffende Beschreibung seiner Kunst. Seine Bilder, in denen er Natureindrücke, Landschaftsstimmungen und florale Formen verdichtet, sind auf den ersten Blick gegenstandslos.

Auflösung in
satten Farben

Stammberger löst seine Themen abstrakt in Farbe auf, satt in Schichten aufgetragen, verwischt, mehrfach übermalt. In Grün und Rot sind Blumen und Blüten zu erahnen, in Blau das Fließen von Wasser. Klassische Stilllebenmotive finden sich in lauten Gelbtönen. In immer neuen Variationen vermittelt er Schönheit, ohne Gegenständliches zu zeigen.

Beunruhigend sind seine „Tor“-Bilder aus den 1980er- Jahren. „Hochgradig verschlüsselte Psychogramme“, nannte sie Klaus J. Schönmetzler. Stammbergers Tore sind nicht einladend. Hinter ihnen deuten sich in dichten, dynamischen Kreidestrichen Schatten an und der Betrachter fragt sich unwillkürlich, was sich dort im Dunkel verbergen mag.

Schön ist, wie es die von Elisabeth Rechenauer kuratierte Ausstellung erlaubt, die Entwicklung der einzelnen Künstler nachzuerleben. Exemplarisch ist das auch bei den Bildern von Peter Tomschiczek zu sehen, etwa den „Tischbildern“ von 1981 und 1991 sowie dem „Macchiatisch“ von 1998.

Die Stimmungen
einer Landschaft

Auch Tomschiczek ist von der Natur inspiriert, allerdings nicht von konkreten Motiven, sondern von Stimmungen einer Landschaft mit ihrer Struktur und Farbigkeit. Wie Erinnerungsstücke arbeitet Tomschiczek dabei Sand, Steine, Federn oder kleine Knöchelchen in den Bildgrund ein. Fündig wurde der Künstler, der in Ellmosen lebt, dafür an seinem Zweitwohnsitz auf der kroatischen Insel Losinj und auf Reisen nach Westafrika.

In der Städtischen Galerie sind die türkisfarbenen Bilder der „Gatterweg“-Reihe, die in Ocker- und Rottönen gearbeiteten Werke aus dem „Gurunsi“-Zyklus ebenso zu sehen wie das Blau der „Bilder vom Meer“. „Archaische, nie versiegende Kraftfelder von ungeheurer Energie“, nannte Kuratorin Rechenauer seine Arbeiten.

Drei Künstlern mit sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen wird mit der Ausstellung in der Städtischen Galerie zum 80. Geburtstag gratuliert. Den Besucher erwarten aber nicht drei Teil-Ausstellungen. Im Gegenteil: Die freistehenden Skulpturen treten in gelungene Interaktion mit den stimmungsvollen Stillleben und Landschaften und schaffen ein gemeinsames Neues.

Rahmenprogramm

Im Rahmenprogramm ist am Freitag, 9. Oktober, um 19 Uhr der Dokumentarfilm „Why We Are Creative?“ von Hermann Vaske zu sehen (Untertitel). Elisabeth Rechenauer führt durch die Ausstellung am Sonntag, 18. Oktober und 8. November, jeweils um 14 Uhr. Eine Führung durch das Depot der Städtischen Galerie ist am Sonntag, 25. Oktober, 15 Uhr. Anmeldung für alle Veranstaltungen ist erforderlich unter Telefon 08031/3651447 oder per E-Mail an galerie@rosenheim.de.

Bis 15. November

Zu sehen bis 15. November in der Städtischen Galerie Rosenheim, Max-Bram-Platz 2. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags sowie am 3. Oktober und 1. November jeweils von 13 bis 17 Uhr.

Artikel 2 von 8