Alles beginnt im Unterbewussten

von Redaktion

Paul Mooney zeigt ab 25. Oktober im Ganserhaus „Transcendental Journey“

Wasserburg – Die glatte Oberfläche eines Sees ist ein makelloser Spiegel. Man sieht darin die Landschaft, den Himmel, sich selbst. Um etwas zu bewegen, muss Bewegung in die Sache kommen. „Ich muss dann einen Stein reinwerfen in dieses perfekte Bild, das Glatte zerstören. Nur so geht es vorwärts“, sagt Paul Mooney, während er im Ganserhaus seine Bilder für die Ausstellung, die am Sonntag, 25. Oktober, ab 13 Uhr beginnt, platziert. „Transcendental Journey“, so beschreibt er seine Arbeiten. Seine Malerei begreift Mooney als eine kontinuierliche Reise, als Prozess, als Fortentwicklung, die nicht geradlinig läuft. Wie das Leben eben – so seine Pinselstriche inzwischen auch.

Die Natur gibt
ihm den Input

Die Natur gibt ihm den Input. So sind es Licht und Farben, wenn er mit seinem Rennrad durch den Wald fährt, oder der Duft und der Anblick von einem frisch gefurchten Acker. Die wellenartigen Muster im Flachwasser am Meeresufer – sie dienen als Vorlage für die abstrakten Aquarelle auf Büttenpapier.

Und dann ist da der Stein, der die Oberflächenspannung eines Sees durchbricht, die Einschlagstelle und dann die Wellen, die sich konzentrisch ausbreiten. Im sogenannten Ripple Effect findet Mooney, der 1960 in Dublin geboren wurde, Inspiration. Seit bald 13 Jahren lebt er in Wasserburg, wo er sein Atelier in einem charmanten 60er-Jahre Bungalow hat. Zuvor waren seine Stationen Babensham und Berlin.

Im Erkerraum des Ganserhauses baut Mooney, der am Münchner Volkstheater auch als Kulissenmaler und Bühnentechniker arbeitet, eine Papierinstallation auf, die seinen Schaffensprozess erläutern wird. Alles beginnt „im Unterbewussten“. Wie wenn man stundenlang telefoniert und nebenbei ein ganzes Telefonbuch mit symmetrischen Skizzen und Spiralen vollmalt. „Ich lasse mich treiben, der Lauf kommt von selbst. Wenn ich keine Idee habe und in meinem Atelier sitze, dann finde ich Kreativität durch meine alten Skizzen, die ich als kleinformatige Aquarelle ausprobiert habe, ob sie funktionieren.“ Er hat sie in Alben gesammelt und nennt sie „Werkzeuge der Inspiration“.

Eingebungen kommen bei der Arbeit, Entwicklung entsteht im Prozess, der Prozess selbst ist der Inhalt. Und wenn Mooney an einem Bild malt, nuancierte Ackerfurchen oder Rippelmarken aufs Büttenpapier bringt, keimt schon die Idee für das nächste Bild in ihm. „Jedes Bild wird so zu einem Sprungbrett für das nächste Bild“, erklärt er sein Wirken.

Dabei hat er nicht immer so gearbeitet. Der Weg führte ihn zunächst als Student des National College of Art in Dublin zum abstrakten Expressionismus, wie ihn die New Yorker Schule vertritt.

„Verloren in der
grenzenlosen Freiheit“

Feuilletonistin Petra Hallmayer erklärt im Ausstellungskatalog, warum sich der Künstler in dieser Strömung (lebendig in den 1940er- bis 1960er-Jahren), die durch Action Painting und Farbfeldmalerei geprägt war, bald verloren fühlte: Es war die „grenzenlose Freiheit“ einer Vision von Kunst als spontaner, willkürlicher Ausdruck des eigenen Unterbewusstseins.

„Ich schuf meine eigene Version der Farbfeldmalerei“, so Mooney und zeigt auf ein älteres Werk. Klare Rechtecke, zwei starke Primärfarben, Rot und Blau, eine begrenzte Fläche die strikt endet am Rande des Papiers. „Das ist etwas Konkretes, die Farbe ist das Mittel, die Formen sind straight. Ich wusste vorher, wie das Bild aussehen soll.“

Doch das reichte dem Iren auf Dauer nicht. Er wollte sich noch freier machen, weg von den kühlen kubistischen Formen und sich aufs „freie Spiel“ konzentrieren. So sind die jüngeren Werke geprägt von einer Dynamik im Farbverlauf, der Linienführung, sind nicht gebändigt durch strenge Formenrahmen.

Winzige Knicke und Dellen unterbrechen die Linien, die vertikal oder horizontal verlaufen. Dass dieser Stil an das Albumcover von Joy Divisions „Unknown Pleasures“ (1979) erinnert, das hat Paul Mooney schon öfter gehört. Die Linien auf dem Cover sind Abbildungen von Radiopulsen des im Jahr 1967 ersten entdeckten Pulsars (ein schnell rotierender Neutronenstern, der zum Sternbild des Füchschens am Nordhimmel gehört, Anm. d. Red.). Er blinkt wie eine Leuchtturmlampe.

Astrophysik ist jedoch nicht der Ideengeber für Mooneys Malerei. Sondern die unmittelbare Umwelt. Die Natur, die sich ihren Weg bahnt. Und sich nicht aufhalten lässt, wenn man es ihr gestattet. Wie Wasserfarbe, die auf ein schräg gehaltenes Blatt Papier tropft und sich seinen Weg sucht. „Ich gestatte inzwischen der Farbe, dass sie ihren eigenen Weg nimmt, das hätte ich früher nicht erlaubt.“ Es ist das Loslassen der totalen Kontrolle über den Verlauf und den Ausgang. Freier und chaotischer, aber keine wilde Kleckserei, sondern eine eigene Ordnung, die sich nur erschließt, wenn man die Bilder lange genug betrachtet. Dann lassen sich dreidimensionale Landschaften erkennen, Täler, Berge, schwebende Sonnen, tanzende Seifenblasen.

Petra Hallmayer, die seinen Schaffensprozess schon lange begleitet, beschreibt Mooney als Künstler, der sich in einem komplexen Prozess mit Farben und Formen auseinandersetzt. Er sei keiner, der ein Bild in wenigen Stunden wie im Rausch vollendet. Wer ihm mal in seinem Atelier über die Schulter schauen darf, erlebt, wie sie das meint.

Mooney schrubbt
die Farbe wieder ab

Wochenlang baut er die Farben Schicht um Schicht auf seinen Bleistiftskizzen auf und wäscht sie immer wieder zurück. Gefallen sie ihm nicht, schrubbt er sie ab, legt Küchenkrepp drauf und drückt die restliche Farbe mit einer Walze ins Papier, ehe er damit wieder von vorne anfängt. „Bis zu sechsmal wiederholt Paul Mooney diesen Prozess, bis endlich jener Eindruck berückender Leichtigkeit entsteht, auf den er abzielt. ,Ein Bild muss tanzen‘, erklärt er.“

Als er im Ganserhaus die Aufteilung seiner rund 50 gerahmten Werke auf die einzelnen Räume vorgenommen hat, sagt er, „Stillstand wär der Tod“. Und damit meint er, auch, vorher schon zu wissen, was dabei rauskommt, wenn er zu malen beginnt. „Stillstand wäre es, sicher zu sein, dass das ein schönes Bild wird, weil ich das kann. So kommt man nicht vorwärts. Und dann muss man einen Stein ins Wasser werfen und das Langweilige, Glatte zerstören.“

Die Ausstellung im Ganserhaus in Wasserburgist vom 25. Oktober bis 22. November immer donnerstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Eine Vernissage findet wegen Corona nicht statt.

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