Las Vegas/Rosenheim – Für Siegfried Fischbacher ist der letzte Vorhang gefallen: Der weltbekannte Magier ist in seinem Luxusanwesen „Little Bavaria“ in Las Vegas einem Krebsleiden erlegen. Gestern Mittag erreichte die Familie in Rosenheim die Nachricht, dass Fischbacher friedlich eingeschlafen ist. Er wurde 81 Jahre alt. Sein schillernder Lebensweg hat ihn – aufgewachsen in einfachsten Verhältnissen in Rosenheim – bis in die glitzernder Spielermetropole in der Wüste Nevadas (USA) geführt. Zusammen mit seinem Partner Roy Horn war Fischbacher „Siegfried & Roy“, das wohl berühmteste Zaubererduo der Welt.
Aus der Kastenau
bis nach Las Vegas
Geboren 1939, wuchs Siegfried Fischbacher im Rosenheimer Stadtteil Kastenau auf. Es war eine Kindheit, die von der Not der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt war. In seiner 1992 erschienenen Autobiografie schilderte Fischbacher anschaulich, wie beengt das Leben damals war –materiell ebenso wie seelisch. Der Vater war wegen seiner Kriegserlebnisse zum Alkoholiker geworden, die Mutter so mit dem Existenzkampf beschäftigt, dass kein Raum für emotionale Wärme und Nähe blieb.
Als Achtjähriger fiel ihm auf dem Weg von der Schule nach Hause zufällig in einem Schaufenster ein Buch auf, das Zaubertricks beschrieb. Doch die fünf Mark, die das Buch kostete, waren für den Buben unerschwinglich, und die Mutter wollte ihm das Buch nicht kaufen. Was dann geschah, nannte Fischbacher in seiner Autobiografie sein „vielleicht erstes wirklich magisches Erlebnis“: Er fand im Rinnstein vor der Buchhandlung ein Fünf-Mark-Stück – und kaufte sich mit schlechtem Gewissen tatsächlich das Buch.
Siegfried verschlang die Anleitung, trainierte, übte die Kunststücke, zeigte seine Tricks – und bekam im Freundes- und Bekanntenkreis Anerkennung und Bewunderung. Er trat im Kolpingsaal bei Theaterstücken mit der Kastenauer Pfarrjugend und als Komiker auf. Mit dem Fahrrad seines Vaters fuhr er nach München, weil er gehört hatte, dass es dort einen Zauberladen gab.
Mit 14 begann er eine Lehre als Weber in der Rosenheimer Teppichweberei Weinberger. Doch der Beruf füllte den jungen Mann nicht aus, er ließ die engen Verhältnissen hinter sich, arbeitete am Gardasee als Kellner und Barkeeper in einem Hotel, später in der Schweiz. Schließlich heuerte er als Steward auf dem Luxusliner MS Bremen an. Dort begeisterte er die Passagiere mit seinen Vorführungen, woraufhin ihn der Kapitän für die nächste Fahrt als Zauberkünstler engagierte – ein Kindheitstraum hatte sich erfüllt.
Sein Engagement war aber noch aus einem anderen Grund ein Wendepunkt seines Lebens: Er traf an Bord einen anderen Steward, den Tierliebhaber Roy Horn – und der brachte ihn auf die Idee, nicht Kaninchen und Tauben verschwinden zu lassen, sondern einen ausgewachsenen Geparden. Zufälligerweise hatte Horn, der aus Nordenham bei Bremen kam, ein solches Tier. Dadurch wurden die Zaubervorführungen einzigartig und unverwechselbar – es war die Geburtsstunde des Duos Siegfried und Roy.
Nach einer Galavorstellung vor dem Fürstenpaar Rainier und Gracia Patricia 1966 in Monaco wurde das Duo international berühmt. Der Erfolg wurde immer größer. Sie bauten Tiger, Panther und Löwen in ihre Vorführungen ein und hatten damit in den USA riesigen Erfolg. Als erste Zauberkünstler bestritten sie in Las Vegas eine abendfüllende Show, zunächst im Stardust-Casino, später im Mirage-Hotel. 1988 handelten sie den bis dahin größten Millionen-Deal in der Geschichte der Kasinostadt aus. Allabendlich traten sie im Mirage auf – ihre berühmten weißen Tiger wurden zu ihrem Markenzeichen.
Auf du und du
mit Hollywoodstars
Siegfried und Roy wurden zu internationalen Berühmtheiten. Siegfried Fischbacher kannte all die Stars der US-Showbusiness und Hollywood-Größen. Er hatte eine wahrhaft märchenhafte Karriere gemacht.
Im Oktober 2003 nahm dieser Traum ein jähes Ende, als Horn während einer Show von dem weißen Tiger Mantecore lebensgefährlich verletzt wurde. Horn überlebte schwer verletzt, war seither halbseitig gelähmt. Fischbacher kümmerte sich aufopferungsvoll um seinen Partner. Die beiden lebten zurückgezogen auf ihrem Luxusanwesen „Little Bavaria“ in Las Vegas. Immer wieder reisten sie nach Bayern und immer wieder war Siegfried Fischbacher in Rosenheim. Er besuchte Familie und Freunde, für die er immer der „Siegfried“ geblieben war – ohne großes Aufsehen oder in der Öffentlichkeit aufzutreten. Früher war dies anders gewesen: Er war fast alljährlich Gast auf dem Rosenheimer Herbstfest. Unvergessen ist in Rosenheim der Triumphzug, als Siegfried und Roy 1991 mit einem weißen Tiger in einer Stretchlimousine durch eine vieltausendköpfige Menschenmenge fuhren, um in der damaligen Buchhandlung Förg in der Bahnhofstraße ihre Biografie zu präsentieren.
Im April 2020 wurde bekannt, dass sich Roy Horn mit Corona infiziert hatte. Er starb am 8. Mai 2020 in einem Krankenhaus in Las Vegas. Der Tod seines Partners hat Fischbacher dem Vernehmen nach tief getroffen. Er hat seinen Partner nur um acht Monate überlebt. Bei Siegfried Fischbacher war Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden. Auch eine Operation konnte ihn nicht retten: Der Krebs hatte bereits gestreut. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte er in „Little Bavaria“, wo die Pools nach zwei Rosenheimer Seen, dem „Floriansee“ und dem „Happinger See“, benannt sind und ein von einem Zwiebeldach gekröntes Türmchen an die Kirchen im Rosenheimer Land erinnern.
Noch mit seiner
Schwester gebetet
„Er hat gespürt, dass es mit ihm zu Ende geht und hat um das Telefon gebeten, um mich anzurufen“, berichtet seine Schwester. „Ich konnte mit ihm noch beten und ihm sagen, dass ich mit meinen Herzensgedanken immer bei ihm bin. Er sagte: Ich hatte 81 gute Jahre, was will mich ich mehr?“ Nach dem Gespräch habe er sich hingelegt. Gestorben ist er am Mittwoch um 23.30 Uhr.