Falls das Bestimmungswort Jared im Ortsnamen Jarezöd, den man als „Jareds Öde“ deuten könnte, tatsächlich ein christlicher Vorname ist, dann könnte man ihn problemlos mit anderen christlichen Namen vergleichen, die in manchen Ortsnamen bis heute überlebt haben: Hier handelt es sich um Ortsgründungen, die vor der Reformation und dem darauffolgenden Schisma der christlichen Kirche im 16. Jahrhundert erfolgten.
Hierzu gehören insbesondere die Ortsnamen, die einen Heiligen, eine Heilige oder den Kirchenpatron im Namen tragen: Beispiele sind St. Florian, St. Margarethen, St. Salvator, Stephanskirchen. Im Unterschied zu Florian, Margarethe oder Stephan ist Jared aber kein für unsere Region gängiger Vorname, weder damals noch heute.
„Jared“ ist als arabisch-hebräischer und alttestamentlicher Name (mit der Bedeutung „Rose“) erklärbar. Ein Jared ist beispielsweise in der Bibel im Buch Genesis, 5,15-20, als Sohn des Mahalalel erwähnt.
Sollte der Jared tatsächlich im (Orts-)Namen des Eberhard von Jorze gesteckt haben, der 1130 in einer Urkunde erwähnt ist? Möglicherweise, aber andere alttestamentliche Namen sind bis zur Reformation kaum belegbar.
Das änderte sich seit den Zeiten Martin Luthers. Zu alttestamentlich und somit dezidiert evangelischen Namen im Ortsnamen gibt es eine sehr interessante These des Ortsnamenforschers Dr. Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein, die sich speziell auf den Namen unseres Jarezöd in der Gemeinde Großkarolinenfeld bezieht.
Von Reitzenstein geht hier von einem mutmaßlichen evangelischen Grundherrn aus, der den Ort möglicherweise nach dem Namen seines Sohnes benannt habe. Die Mundartform des Ortes, nämlich „Dred“, entstanden aus „in der Öd“, geht, so der Onomatologe, „wahrscheinlich auf den Einfluss des katholischen Ortsgeistlichen zurück, der den Nicht-Heiligennamen im Ortsnamen nicht anerkennen oder tilgen wollte“.
Im offiziellen Sprachgebrauch bleibt aber Jarzödt (1564), Jarzet (1560), Jarezeth (1606), Jarzed (1688), Jaretsöd (1819 und 1867) neben Ödt (1545), Oedt (1606 und 1609) – die Beispiele verdanken wir den Recherchen von Herrn von Reitzenstein – erhalten; vielleicht weil sie nicht (mehr) als „evangelisch“ verstanden wurden?
Toleranz gegenüber evangelischen Christen erfolgte im Kurfürstentum und späteren Königreich Bayern erst Anfang des 19. Jahrhunderts, und zwar unter Kurfürst Max IV. Joseph – Ab 1806 König Max I. Joseph von Bayern – und seiner protestantischen (zweiten!) Gattin Karoline von Baden. Die beiden ermöglichten es 1802 katholischen und protestantischen Pfälzern, sich in den Mooren – Filzen – zwischen Aibling und Rosenheim anzusiedeln und diese Landschaft zu kultivieren. Auf diese Weise kam nach dem alttestamentlichen Jared eine evangelische Karoline zu der Ehre, für einen Ortsnamen Patin zu stehen: Großkarolinenfeld! „Groß“ im Gegensatz zu Kleinkarolinenfeld im Landkreis Miesbach.
Der Name existiert seit 1806, als Ober- und Unter-Karolinenfeld zu einem Dorf vereinigt wurden. Beide „Kolonie-Teile“ waren seit 1802 im Rosenheimer- oder Kolbermoos angelegt worden. Die erste bayerische Königin, die zudem die Namenspatronin der ersten evangelischen Kirche Altbayerns ist – erbaut 1822 – hätte wohl nichts gegen die neueste Namensbezeichnung des Ortes gehabt: „Großkaro“!
Armin Höfer