Bad Aibling – Ein Farbenrausch begrüßt den Besucher, sobald er die Ausstellung von Horst Sauerbruch in der Villa Maria betritt. Besonders der lange Gang scheint vor Farbe zu explodieren. Dicht an dicht hängen Bilder, die durch ihre Farbigkeit eine ungeheure Strahlkraft transportieren. Aber das ist nicht etwa ein Zuviel des Guten – trotz ihrer Vielfalt an Farben und Bildinhalten besitzen die Bilder eine gewisse Homogenität. Sie stammen aus dem langen Schaffen des 80-jährigen Malers, der viele Jahre eine Professur an der Akademie der bildenden Künste in München innehatte.
Unverkennbare Handschrift
Mit unverkennbarer Handschrift gestaltet er, unablässig fasziniert nicht nur von Farben, sondern auch von Linien und Flächen – seine Arbeiten. Sauerbruch ist der Enkel des Mediziners Ferdinand Sauerbruch und Sohn des Malers Hans Sauerbruch und somit Erbe von visionärem Denken und Handeln.
Fasziniert vom künstlerischen Tun seines Vaters belagerte er dessen Atelier schon als kleiner Junge. Zum Initialerlebnis kam es, als der Vater ihm ein altes Brett und einen Rest roter Ölfarbe schenkte. Der Bub schuf sein erstes Bild, indem er die rote Farbe mit einem Pinsel auf dem Holz zu einer schlangenförmigen Linie zog. Die Freude, mit der das vonstatten ging, hat er sich bis heute bewahrt. Zur Linie sind allerdings viele andere Formen hinzugekommen, große Punkte, kleine hingetupfte Punkte, selten auch größere Flächen ein und derselben Tönung, zarte Linien: jedes Bild ein Kaleidoskop von Formen und Farben. Immer wenn man als Betrachter zum nächsten Bild geht, überlegt man, ob noch einmal eine neue, noch nicht gesehene Kombination möglich ist. Aber ja, kein Bild ist dem anderen gleich!
Überraschenderweise gibt es neben all den leuchtenden Oberflächen auch das eine oder andere pastellfarbene Bild. Häufig jedoch sind die Bilder in kräftigem Orange und Rot gemalt. Oft zieht sich die Malerei über den Bilderrahmen hinweg, so dass das ursprünglich flache Bild eine weitere Dimension erhält.
Eine Reminiszenz an die ersten Malversuche der Kindertage: Ein Drittel der ausgestellten Bilder sind auf Holz gemalt, nicht nur auf ebenen Holzflächen, sondern auch auf hölzernen Gitter aus gefundenen Materialien. Ebenso als Malgrund benutzt werden aufgefaltete Pappkartons, die mit ihren Grifflöchern und Faltschlitzen nach farbiger Bemalung den Anschein archaischer Gestalten erwecken.
Auch bei Horst Sauerbruch wiederholt sich die Geschichte von Vater und Sohn: Sein Sohn wollte ebenfalls im Kindesalter an der Malerei des Vaters teilhaben. Der noch junge Sohn malte ein radförmiges Symbol und seinen Namen auf eine große Kartonage, und der Vater vervollständigte das Bild auf ein sehr großes Format, auch dieses in prächtiger Farbenvielfalt, blau dominierend.
Zusammenfassung seines Werkes
Ganz aus dem Rahmen der großen und mittelformatigen Bilder fällt die Wand der kleinen Werke: 20 Bilder, jedes ein gerahmtes Sujet, alle mit Titeln versehen wie „Nachts“, „Dicht“ oder „Es ist alles drauf“ – eine Zusammenfassung des Sauerbruchschen Oeuvres.
65 Arbeiten aus den Jahren von 1968 bis 2021 sind in der Ausstellung zu sehen. In seiner Gesamtheit ist Sauerbruchs Schaffen ein lebendiges Werk, dessen humane Konzeption Optimismus und Freude evoziert.