Neubeuern – Auf diesen Tag hatten die Kammermusikliebhaber lange gewartet: Nach über einem halben Jahr fand endlich wieder ein Konzert im Schloss von Neubeuern statt. Die begeisterten Besucher nahmen auch strenge Corona-Regeln in Kauf, um für fast eineinhalb Stunden ohne Pause dem brillanten Spiel des israelischen Pianisten Boris Giltburg lauschen zu dürfen. Giltburg spielte Auszüge aus den „Etudes d´exécution transcendante“ von Franz Liszt und von Rachmaninow sechs Stücke aus den „Etudes-Tableaux“ op. 39.
Auftakt
mit Franz Liszt
Giltburg begann mit Liszt und interpretierte zunächst die „Ricordanza“ in As-Dur Nr. 9. Aufbauend auf Kompositionen des erst 15-jährigen verwandelte Liszt den Salonstil des Knaben zwölf Jahre später mit zärtlicher Ironie in ein figuratives Virtuosenstück. Giltburg verzauberte die Hörer mit einem perlenden, hellen Klavierton und graziösem melodramatischen Ausdrucksreichtum. Der beständige Wechsel von träumerisch verhaltenen Passagen hin zur glühenden Leidenschaft zeigte den überbordenden Gefühlskosmos des Komponisten. Giltburgs rasant gespielte auf- und absteigenden artistischen Läufe und Triller riefen Staunen und Bewunderung hervor.
Voller Leidenschaft mit wuchtigen Akkorden erklang die zehnte namenlose Etude, in pastoraler Ruhe die dritte Etude „Paysage“, mit stakkatierten Rhythmen und melodischen Einschüben das „Preludio“. In der „Wilden Jagd“, der achten Etude, konnte man sich den trappelnden Galopp der Pferde, die Hornstöße und das Peitschenknallen der Jagdgesellschaft bildhaft vorstellen. Giltburg interpretierte das Stück mit virtuoser pianistischer Bravour. Seine Finger wirbelten auf der Tastatur in irrem Tanz. Zarte Melodik und edlen Überschwang kennzeichneten die „Harmonies du soir“. Durch Tremolofiguren und weite Sprünge genial gestaltet war der Flockenwirbel in „Chasse-neige“, der zwölften Etude, die Giltburg zum Schluss spielte.
Etüden von
Rachmaninow
Düster, ausladend und virtuos-pompös wirkten Rachmaninows „Etudes-Tableaux op. 39, von denen Giltburg sechs meisterhaft zu Gehör brachte. Die Etude Nr. 5 in es-Moll bestach durch wuchtige Melodramatik, Nr. 6. durch schroffe, harte Akzentuierungen und einen abrupten Schluss. Rhythmisch harsch und beklemmend ertönte nicht nur die Nr. 7 in c-Moll, sondern auch das neunte Stück in D-Dur, dessen strenges, eindringliches Marsch-Motiv faszinierte.
Zum Dank für den enthusiastischen Beifall des Publikums spielte Giltburg noch zwei Zugaben, darunter eine zauberisch dahingehauchte Etude von Franz Liszt.