Frage der Betonung: Bairische Ortsnamen auf Hochdeutsch

von Redaktion

Manche Ortsnamen haben es einfach gut erwischt in puncto offizieller Aussprache: Leicester in England kennt man durch König Fußball als „Lester“, Worcester als „Wuster“ dank einer Soße. Kaiserslautern und Osnabrück würde niemand vorne betonen – was ebenfalls dank der Popularität dieser Orte durch König Fußball gewährleistet ist. Aber was müssen Ortsnamen alles aushalten, die nicht ganz so gut bekannt sind? Ganz frohgemut betont eine Zugbegleiterin Holzkirchen auf dem „Holz“ – entgegen aller sonstigen Gewohnheit. Nun gut, solange man versteht, was gemeint ist: Soll man die Person, die einen Ortsnamen „falsch“ ausspricht, nicht ganz einfach gewähren lassen? Aber wie sehen das die Bewohner von Orten, deren Namen auf Hochdeutsch nicht ganz so leicht auszusprechen sind wie bei „Rosenheim“ oder „Traunstein“? Eine telefonische Umfrage bei „schwierigen“ Orten unserer Region zeitigte die folgenden Resultate:

Zuerst Albaching. Klar: Auf Boarisch „Oibich“. Aber auf Hochdeutsch? Wird das Al- betont oder das -bach-? Eine Gemeindeangestellte, etwas genervt und hörbar keine gebürtige Albachingerin, erklärt kurz und bündig: AlBACHing. Unserer Ansicht nach ist das nicht korrekt, sondern das Resultat einer volksetymologischen Fehldeutung des Namens vom Wort „Bach“ her. „Bach“ war und ist aber mitnichten Teil des Namens. Vielmehr liegt dem Ortsnamen der Beleg „Alpicha“ aus dem Jahre 808 zugrunde. Der Name geht daher entweder auf indogermanisch „albh- (weiß)“ oder auf den Personennamen „Albius (ebenfalls weiß)“ zurück, nicht aber auf „Bach“. Die Nennung „Albaching“ erfolgte erst 1415, zuvor hieß der Ort „Albichingen“, „Albiching“ und „Albeching“. Empfehlung: Betonung auf der ersten Silbe!

Weiter mit Kolbermoor. Schon in der telefonischen Ansage der Stadtverwaltung wird das „Kol-“ betont. Aber der Bundeswehrkamerad Michael Dittert nannte seine Heimatstadt doch stets KolberMOOR. Oder etwa nicht? Anruf beim Altkameraden ein paar Jahrzehnte später.

Die Antwort lautet: Bairisch „KOiwamoor“, hochdeutsch „KOlbermoor“. Da hilft es wohl wenig, wenn der Inntaler Hans Purainer erzählt: „Adiam haanma auf KoiwaMOOR eini gfahrn!“

Nächste Station: Gemeinde Samerberg. Helles a wegen der „Samer“, hochdeutsch „Säumer“, aber unbetont. Die Betonung liegt auf dem -berg! Auch beim Namen „Gundelsberg“ in der Gemeinde Bad Feilnbach ist der Berg betont. Genauso bei Jakobsberg.

Jetzt geht’s hinaus in die weitere Region. Zuerst Grabenstätt: Die sehr freundliche Angestellte lacht und sagt: „GRAbenstätt“ und auf Boarisch „GROmschdedt“. Das interessiert uns genauso wie die Betonung bei Kirchanschöring, wo das ö betont wird. Interessant die bairische Aussprache: „ANschering“, nicht etwa „OOschering“! Ähnlich liegt der Fall bei Unterwössen. Auch hier wird hochdeutsch die vorletzte Silbe mit dem ö betont. Auf bairisch heißt es „Weessn“.

In Leicester und Worcester würde man wohl nur ungern „Leitschester“ und „Wortschester“ hören. Vielleicht können wir ja die Heimatforscher bei ihren eigenen schwierigen Ortsnamen zur kreativen Mitarbeit aktivieren? Armin Höfer

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