Rosenheim – Der schmerzhafte Rosenkranz, also der Gedanke an die Passion, mitten im sonnigen Juni? Doch, doch, alles hatte seinen Sinn: Michael Anderl, Kirchenmusiker in den Rosenheimer Stadtteilkirchen Christkönig und St. Michael, hat eine Reihe von geistlichen Abendmusiken gestartet, die Musik und Wort thematisch vereinigen, indem sie an den oder die Heiligen des Tages erinnern. Am 12. Juni gedenkt die katholische Kirche der seligen Märtyrer von Dachau: Im dortigen Konzentrationslager waren auch rund 2700 Geistliche inhaftiert, von denen über die Hälfte ums Leben kamen. 57 davon wurden seliggesprochen. Der Gedenktag war der Anlass für die gespielte Musik in der Christkönigkirche: fünf aus den 15 sogenannten „Rosenkranzsonaten“ von Heinrich Ignaz Franz von Biber, die eben die schmerzhaften Geheimnisse betreffen.
Michael Anderl hatte auch die intellektuell anspruchsvollen Texte ausgesucht oder aber geschrieben, die Theresia Knopp mit getragenem Ernst vortrug: Erklärungen und Einzelbiografien der seligen Märtyrer, dazu eine Betrachtung von Navid Kermani über ein Kreuz des Bildhauers Karl Schlamminger sowie ein Predigttext des ebenfalls von den Nazis umgebrachten Jesuitenpaters Alfred Delp.
Alle Texte verschränkten sich aufs Beste mit der Musik, so dass man sagen konnte: Und das Wort ist Musik geworden. Simon Steinkühler spielte die Violin-Sonaten auf fünf verschiedenen Violinen, weil die Stimmung, die Skordatur, für jede Sonate verändert werden muss. Groß konnte sich der Klang seiner Geigen in der großen Kirche entfalten. Man könnte sich diese Musik expressiver, schmerzglühender gespielt vorstellen, Steinkühler setzte mehr auf Verinnerlichung und Meditation, schien aber während des Spiels selber immer mehr hingerissen zu werden.
Vor allem machte er klar, dass diese Musik rhetorische Musik ist, dass sie etwas „sagen“ will, Jesu Blutschwitzen, seine Geißelung, Dornenkrönung, das Kreuztragen und schließlich die Kreuzigung beschreiben will, ja: dass sie zu Wort werden will.
So war das Publikum hinreichend gefangen von der Abfolge von schmerzreichen Dissonanzen, langgezogenen Klageakkorden, erregt auf- und absteigen Läufen, scharf markierten Punktierungen und bebendem Zittern auf Geigensaiten.
Michael Anderl grundierte und umhüllte die Geigenklänge auf seinem Portativ, blieb auf diese meist dienlich im Hintergrund, ohne mit viel Registerwechseln einzugreifen. Die Zuhörer waren tiefbeeindruckt von dieser meditativen Verschränkung von Wort und Musik.
Rainer W. Janka