Rosenheim/Reichertsheim – Der aus Rosenheim stammende Pianist Herbert Schuch kommt wieder in seine Heimat: Er spielt, zusammen mit seiner Frau Gülru Ensari, am Samstag, 19. Juni, um 17 Uhr und um 20 Uhr im Schloss Neubeuern. Am Tag davor, Freitag, 18. Juni, treten beide in „Fichter’s Biergarten“ in Reichertsheim nahe Haag auf. Veranstalter ist der Verein Kulturladen Ramsau. Die OVB-Heimatzeitungen haben mit Herbert Schuch gesprochen.
Lieber Herr Schuch, wie sind Sie durch den langen Lockdown gekommen?
An sich ging es uns gut, ich hatte immer wieder einige Livestreams und auch der Bayerische Rundfunk hat einige Konzerte ohne Publikum mit mir veranstaltet. Ich gehöre also damit schon zu den Glücklichen, die dieser Zeit etwas Positives abgewinnen konnten. Dass es aber auch ganz schnell eng für viele Freiberufler geworden ist, glaube ich sofort, da hätte Hilfe schneller und unbürokratischer fließen können…
Das Konzertleben startet ja wieder, Sie kommen wieder in unsere Gegend – und Sie konzertieren im Biergarten in Reichertsheim. Wie kam denn dieser Kontakt zustande?
Es gab immer wieder die Anfrage, in der Gegend von Haag zu spielen, was nie geklappt hatte. Und nun, wenn sich dies mit einem Familienbesuch in Rosenheim verbinden lässt, ist es doch wunderbar!
Sie stehen da in einer Reihe mit Dreiviertelblut, den Well-Brüdern und Pam Pam Ida: Fühlen Sie sich da gut aufgehoben?
Ich habe das Programm, ehrlich gesagt, nicht überprüft und die meisten Namen sagen mir nichts. Die Well-Brüder kenne ich aber seit Langem und finde die richtig Klasse! Das ist musikalisch auf ganz hohem Niveau und wirklich witzig, sehr gekonnt! Und wenn man in einer reinen Klavierreihe spielt, langt man sich ja auch manchmal an den Kopf, mit welchen Kollegen man da in den gleichen Topf geworfen wird.
Was werden Sie da zusammen mit Ihrer Frau Gülru Ensari spielen, was in einen Biergarten passt?
Eigentlich nichts. Strawinskys „Sacre du Printemps“ und das schöne späte Rondo in A-Dur von Schubert sind nicht kompatibel mit dem Genuss von Bier. Die Ungarischen Tänze von Brahms schon eher. Es ist auf jeden Fall ein Wagnis, aber wann soll man etwas wagen, wenn nicht jetzt?
Sie spielen, zusammen mit Ihrer Frau Gülru Ensari, auch auf Schloss Neubeuern. Können Sie uns zu dem Programm etwas sagen, insbesondere zu Stravinskys „Sacre du Printemps“?
Das ist ja ein Schlüsselwerk der Moderne, ein Stück, das einen Schlusspunkt setzt hinter all die romantische Musikauffassung des 19. Jahrhunderts. Musik wird im „Sacre“ wieder auf ihre ganz alte Bedeutung zurückgeworfen: Entfesselung, Beschwörung, Trance. Es geht da um Leben und Tod! Das ist schon eine Grenzerfahrung für jeden, der das Stück hört. Und in der komprimierten Fassung von Strawinsky vier Klavier vierhändig ist das noch intensiver, unausweichlicher. Auf groß besetzte Orchester müssen wir ja noch etwas länger verzichten, also macht diese Fassung auch Sinn.
Sie sind ja beide Eltern einer kleinen Tochter. Wie heißt sie? Und hat sich Ihr, eventuell auch das Spiel Ihrer Frau, dadurch geändert?
Unsere Tochter Kayra ist jetzt 20 Monate alt. Unser ganzes Leben hat sich durch sie verändert! Am deutlichsten merke ich, dass sehr vieles im Leben mit einem kleinen Kind improvisiert werden muss. Da stellt sich manchmal nicht die Frage nach der endgültigen Version einer Beethoven-Sonate, sondern ich lasse da Momente zu, in denen ich mich selbst überraschen lasse. Und natürlich sehen wir, wie sehr so ein kleines Kind alles viel intensiver wahrnimmt. Das ist wirklich eine Inspiration für uns Musiker, wir müssen uns ja auch immer wieder ganz neu für etwas begeistern. Das fällt nur dann leicht, wenn man immer wieder etwas Neues im Bekannten findet. Also: Etwas Kayra steckt idealerweise in jeder Interpretation für uns. Interview: Rainer W. Janka