Wasserburg – Da ist sie wieder zurück, die Zeit der Wasserburger Rathauskonzerte, wenn dies auch erst einmal ein zaghafter Versuch bleibt, was die Zahl der Zuhörenden betrifft: Nur Abonnenten saßen in respektvollem Abstand im Saal. Doch das Wiedererkennen bekannter Gesichter, das einmalige Flair des Rathaussaales, alles vertraut wie ehedem, all dies belebte die Hoffnung auf eine Fortführung in ähnlichem – oder auch im alten Stil.
Zum ersten Versuch gab es quasi ein Heimspiel auf Landkreisebene: Ein Hoffnungsträger in jüngeren Jahren am Tasteninstrument und jetzt weithin gefeierter Musiker, Johannes Berger, gastierte mit „Concerto München“. Würde er eine Palette allzu bekannter Barockwerke bieten? Fremd ist uns alles vielleicht ohnehin schon geworden nach einem Jahr der Abstinenz, und wer wollte nicht endlich alles wieder „live“ zu hören, vor allem zu sehen bekommen!
Doch es stellte sich heraus, dass Johannes Berger und seine Mit-Musizierenden die Gattung Barock zudem in ihrer Vielfalt aufleben ließen: Ein Griff in die Saiten, und südliches Feuer eröffnete mit Vivaldi die Szene. Eine Barocktrompete verpasste dem soliden Streichersatz eines Telemann eine pfeffrige Note. Händels Glanz der Streicher wurde im Concerto Grosso veredelt durch den Hauch der Barockflöte. Und wiederum ein Italiener: Arcangelo Corelli, in origineller Besetzung mit Trompete. Ja, und zum Schluss feierte sich Johann Sebastian Bach, himmelhoch über den anderen stehend, mit seinem „Brandenburgischen“ Nr 5 in D-Dur.
Es lag wohl mit an der Wahl des Instrumentariums, am kundigen Wechsel der Besetzung, dass die Variabilität des Barock so zur Geltung kam. Die Streicher griffen beherzt, in historisch gebotener Bogenführung, in die Saiten (Emily Deans, Theona Gubba-Chkheidse, Waleska Sieczkowska, Anderson Fiorelli, Simon Hartmann an Geigen, Viola, Cello und Violone). Matthew Sadler blies so zart in die ventillose Barocktrompete, dass eine Dominanz gegenüber den Streicherstimmen gar nicht aufkommen konnte. Ja, bei Corelli kam es sogar zu einem kurzen Duo zwischen Cello und Trompete! Marion Treupel-Franck huschte mit ihrer Traversflöte über die Töne wie mit einer Panflöte, was sich ungemein harmonisch zur barocken Bogenführung der Streicher fügte.
Im Zentrum des Geschehens wirkte Johannes Berger dezent am Cembalo, bis er bei Bachs „Brandenburgischem“ virtuos gefordert wurde, und man wartete schon auf ein Feuerwerk! Doch: Hatte man die herrlich schwirrenden 32-stel in Kadenz und im Schlusssatz an anderer Stelle im Saal vielleicht noch besser zu hören bekommen? Die Postierung des relativ leisen Cembalos im großen Saal wäre zu überdenken.
Dass hier Barockmusik so zündend wie selten die Zuhörenden erreichte, lag es am Wieder-Erstehen des „Live“-Musizierens auf offener Bühne? Sicher, Johannes Berger und seine Musikanten hatten daran den größten Anteil.
Der Leiter des Ensembles zeigte sich glücklich, nach so langer Zeit wieder vor Menschen spielen zu dürfen, Applaus zu genießen. Aber wer war da glücklicher, die Zuhörer oder die Musiker? Weitere Wasserburger Rathauskonzerte, wenn auch noch coronagedrosselt – eine hoffnungsvolle Aussicht? Robert Engl