Rosenheim – Der Kunstverein Rosenheim ist bekannt für qualitativ hochwertige Ausstellungen. Dieses Jahr bekommt der Niederländer Rob Voerman die Gelegenheit, seine Werke in der Rosenheimer Kunstmühle zu präsentieren. Der Künstler fällt dabei nicht nur durch seinen individuellen Stil auf, sondern vor allem dadurch, wie er gesellschaftspolitische Themen bearbeitet.
Kunstwerke
wie Termitenhügel
„Kunstvoll“ wäre vielleicht der falsche Begriff, um die fast wie im Wahn und doch systematisch aus Papier, Pappe, Glas, Holz, Epoxy und viel Kleber aufgetürmten Modelle zu beschreiben, die über den Raum verteilt sind. Sie ähneln jeweils einem aus Spucke und Lehm zusammengekleisterten Termitenhügel – die ins Nichts endenden Gänge den Prismen eines buntäugigen Kaleidoskops. Und doch besticht der Künstler mit dieser Mischung aus Grusel und Poesie. So ist der Niederländer auch im Museum of Modern Art (MoMA) mit Werken vertreten, so die Kunsthistorikerin Dr. Olena Balun. Sie hat die aktuelle Sonderausstellung kuratiert.
Die Möglichkeit, seine Werke in Rosenheim präsentieren zu können, sei eine Art „Sprungbrett“, meint Ulrike-Claudia Pulzer, Kulturreferentin des niederländischen Generalkonsulats in München. Die diplomatische Vertretung fördert Ausstellungen niederländischer Künstler in deutschen Kunstvereinen, so auch die „Entropic Empire“ in Rosenheim.
Es lohnt sich, die Fotocollagen, Drucke, Malereien, Skulpturen und die in den Raum integrierte Installation erst einmal auf sich wirken zu lassen, ohne gleich analysieren zu wollen. Denn erst im Gesamten offenbaren sich die Themen, mit denen sich der Niederländer auseinandersetzt.
Im Zusammenhang mit Rob Voermans Werken fällt immer wieder das Wort „Dystopie“. Und das stimmt auch bis zu einem gewissen Grad, da er Themen wie die Zerstörung und Verwüstung des Planeten, Ressourcenknappheit oder den Missbrauch von Macht bearbeitet. Doch während der Betrachter inmitten der Werke im Dachgeschoss der Rosenheimer Kunstmühle steht, fühlt er sich auch von einer wilden, sich ausbreitenden Natur umgeben. Voerman, so scheint es, baut lebende Organismen, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen: das Entropic Empire.
Neben diesem chaotischen Element bestimmt auch eine durchdachte Systematik die Arbeit des Künstlers. Architektur, das sei seine „Hauptsprache“, sagt Voerman. Der Niederländer, der unter anderem auch für seine begehbaren Installationen bekannt ist, arbeitet mit immer wiederkehrenden Strukturen: bunte Glasfenster ähnlich denen gotischer Kathedralen, Fragmente von Fußballstadien, Baugerüste oder in den Himmel zeigende Hochhäuser tauchen in seinen Werken immer wieder auf.
Hat der Betrachter also einmal die Werke auf sich wirken lassen und die latenten Strukturen erkannt, so kann er sich auf das Herz der Ausstellung konzentrieren: die an die Räumlichkeiten des Kunstvereins angepassten Installationen. Rob Voerman illustriere damit die Macht des Finanzsystems, das sprichwörtlich die „Strippen“ ziehe – auch beim Umweltschutz, erklärt die Kuratorin Dr. Olena Balun. Ein Netz aus blauen Seilen, das an einem Modell eines Skyscrapers verankert ist, symbolisiere die Allmacht der Ökonomie.
Passend dazu hat der Künstler doch tatsächlich eine neue Währung entwickelt, deren Wert von den ökologischen Ressourcen der Erde abhängt. Eine kleine Box, die ein Element der Installation ist, fungiert als Bank. Hier kann der Besucher Euros in die von Voerman kreierten Scheine umtauschen. Jede Banknote hat eine Seriennummer, die einem bestimmten Quadratmeter auf der Erde zugeordnet werden kann. Der Wert der Note hängt vom Zustand dieses Fleckchens Erde ab.
Ökologie mit
Ökonomie gekoppelt
Die Idee, Ökologie mit Ökonomie zu koppeln, ist nicht neu. Auch hinter der Logik eines CO2-Preises steht der Gedanke, dass die Natur nur geschützt wird, wenn umweltschädliches Verhalten etwas kostet. Vielleicht ist die von Rob Voerman entwickelte Währung also nicht nur eine Metapher für die Allmacht des Finanzsystems. Vielleicht hat der Künstler hier ein Konzept begründet, das Veränderungspotenzial besitzt.