Künstlerlandschaft ins Licht gestellt

von Redaktion

75 Jahre Kunstausstellung in Prien – Jubiläumsschau würdigt diesen Anlass

Prien – „Im Licht – 75 Jahre Kunstausstellung in Prien“ – der Titel weckt Assoziationen an die Künstlerlandschaft des Chiemsees, an das hoffnungsvolle Wiedererstehen der Kunst nach 1945 und an strahlendes Scheinwerferlicht. Und das darf es auch getrost, denn die Ausstellung, die im Herbst 2020 in der Galerie im alten Rathaus zu Prien begann, hat – coronabedingt – bis 12. September verlängert. Dieses Leuchten sollte man sich nicht entgehen lassen.

Werke aus einem Dreivierteljahrhundert

Die beiden Kuratorinnen Inge Fricke und Ute Gladigau haben auf drei Etagen Werke verschiedenster Kunstrichtungen von Künstlern aus Prien und Umgebung der letzten 75 Jahre zusammengetragen. Und das Zusammentragen hat Tradition, denn schon gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, am 5. August 1945, gab es im heutigen Priener Haus des Gastes die erste Kunstausstellung in Bayern.

Den 29 Gründungsmitgliedern, federführend dabei Georg Wilhelm Maxon und Dr. Hugo Decker, ging es um die Vielseitigkeit. Diese Vielschichtigkeit lebt bis heute fort und zeigt sich aktuell in der Ausstellung „Im Licht.“ Bewahrte Tradition von Chiemseemalern wie Paul Paulus, Franz Seebauer oder Theodor von Hötzendorff („Im Achental“) steht da expressivem Realismus gegenüber, der sich in reiner Farbe bei Arnold Balwes „Windmühlen auf Sifnos,“ in Pastelltönen bei Daisy Campi-Eulers „Mohnblumen“ oder in dunkel-erdigen Tönen, durch die Pastos-Technik den Ausdruck verstärkend, bei Erich Glettes „Flucht nach Ägypten“ zeigt. Dezent erotische Bilder wie „Die Lesestunde“ von Rudolf Kriesch, naive Malerei von György Stefula im „Der Taubenflug“, an Paul Klee erinnernde kubistische „Häuserlandschaften“ von Heribert Wappmannsberger oder impressionisten-gleich das „An der Prien“ von Hermine Tomanek sind Reminiszenzen an ältere Epochen. Hannah von Gosen experimentiert mit Applikationen auf Stoff – Gold als Lichtpunkte in „Stuttgart bei Nacht“.

Farbe zum Bildgegenstand nimmt Rupprecht Geiger bei „IX“, während das Gelb-Gold plastisch den rinnenden Sand in der Sanduhr von Sigi Braun („Die Zeit“) kennzeichnet. Sylvie Roubaud setzt bei „Rhythm in Red“ Akzente mit schwarzen breiten Pinselstrichen, Hermann Wagner spielt mit Farbfeldmalerei in Blau, ins flimmernde Reich der Träume führt Hans Herbert Hartwig mit pastellfarbenen Lila-Tönen. Dazwischen zieren Bronze-Skulpturen von Marianne Lüdicke und Keramiken von Katharina Klampfleuther-Kirchner die reichhaltige Sammlung. Hier ein aus Beton gegossener Porträtkopf von Hannes Stellner, da Phönix I, eine Holzskulptur, karbonisiert und gewachst, von Franz Xaver Angerer, und dort, vor dem Raum mit Videokunst – „U Bahn Spiegelungen“ von Sophia Grutsch – hängen mobile-gleich aus Papier geformte Wolken von Siglinde Berndt.

Die Fotografie-Kunst darf natürlich auch nicht fehlen, etwas mit den Schwarz-weiß-Kompositionen von Karin Schneider-Henn. Fotorealistisch dagegen ist ein von Henrik Müller bestechend scharf gemaltes Bild oder die Arbeiten von Gerhard Prokop, der erst die Fotografie – einen Ausschnitt aus dem Treppenaufgang zur Pummerin – bearbeitet, um dann das Motiv malerisch ins Bild umzusetzen.

Nicht minder gefangen nimmt Florian Lechners „Begegnung in Blau“ in Öl auf Leinwand neben Glas in Edelstahl.

Grafikkunst – auch das wird von der Priener Künstlerlandschaft gepflegt. Die Kuratorinnen haben dem Holzschnitt „Die Tanzende“ von Lenz Hamberger, Konrad Hubers Kombinationsfarbdruck „Die Toskana“ und Farbradierungen von Josef Werner eine Bühne gegeben. 75 Jahre Priener Künstlerlandschaft – da darf, nein, da muss auch das Trauma und die Erinnerung an die Schrecken des Krieges mit hinein. Was in der ersten Ausstellung im August 1945 fehlte, bekommt hier nun Platz. So verarbeitete W. G. Maxon die Grausamkeit des Dritten Reiches im „Documentum Humanum“ (170 kleinformatige Gemälde, von denen sechs die Ausstellung zieren). Ironisch-pointiert hingegen drückt sich Markus von Gosen auf Feldpostkarten aus und „Jesus stürzt mit dem Kreuz“ ist eine expressive Monotypie von Franz Sales Gebhard Westerbuchberg.

Ebenfalls gewürdigt wird in der Schau die Künstlergruppe Prien, die Lenz Hamberger, Markus von Gosen und Konrad Huber 1966 mit dem Ziel gründeten, Ausstellungen für einheimische Künstler zu etablieren.

Aus dieser Gruppe heraus entwickelte sich später für gut 20 Jahre die Kalendergemeinschaft Prien, die handsignierte Kalenderblätter in Holzschnitt-Technik herausbrachte. Einige dieser Blätter, die heute als Raritäten Sammlerwert haben, sind in der Ausstellung zu sehen. 1985 schließlich gründeten Kunstinteressierte aus Prien und Umgebung den Kulturförderverein Prien. Im selben Jahr wurde auch das alte Priener Rathaus zu einer Kunstgalerie umgebaut.

Mut nach Kriegsende gewürdigt

Die Pflege der Tradition der Chiemseemaler und die Förderung von zeitgenössischen Künstlern aus der näheren Umgebung steht seit 75 Jahren für einen fruchtbaren Dialog. Dr. Hugo Deckers „Chiemgau Stillleben“, seit Längerem im Besitz der Marktgemeinde Prien, wurde nun um G.W. Maxons „Tower Bridge“–angekauft durch den Kulturförderverein – ergänzt. Es sind nicht nur Kunstwerke, sondern auch Zeitdokumente, die heute den Mut und das Engagement der Ausstellungsmacher direkt nach Kriegsende 1945 würdigen. Das alles und noch viel mehr ist zu bewundern „im Licht“.

Bis 12. September

Die Kunstausstellung „Im Licht“ geht noch bis zum 12. September. Die Galerie in der Alten Rathausstraße 22 hat freitags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet sowie an den Donnerstagen 1. Juli, 29. Juli und 26. August von jeweils 17 bis 19 Uhr. Die Dauerausstellung mit der Sammlung Abe empfängt jeweils am letzten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr und zusätzlich am 15. Juli, 12. August von 17 bis 19 Uhr. Mehr Informationen unter www.kronasthaus.de und unter www.galerie-prien.de.

Über 200 Ausstellungen in Galerie im Alten Rathaus

Mit über 200 Ausstellungen in der Galerie im Alten Rathaus und mit der Förderung des Heimatmuseums in Prien hat sich der Kulturförderverein seit seiner Gründung 1985 über die Grenzen der Region hinaus einen Namen gemacht. Die umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten 2017 der Galerie hat der Kulturförderverein ebenfalls unterstützt. Als Tochtergesellschaft der Marktgemeinde hat die Prien Marketing GmbH (PriMa) zur Wiedereröffnung den Galeriebetrieb im Alten Rathaus übernommen. Einmal jährlich sind in der Galerie im Alten Rathaus internationale Künstler vertreten wie Keith Haring, Salvador Dali, Miro, Andy Warhol, Baselitz, James Rizzi oder Armin Müller-Stahl.

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