Ideenreiche Machtspiele

von Redaktion

Kunstverein Traunstein präsentiert seine Jahresausstellung im Kulturforum

Traunstein – Die Freude war Galerie-Leiterin Judith Bader und Herbert Stahl deutlich anzusehen. „Endlich wieder hier! Es ist ein wenig wie nach Hause zu kommen“, kommentierte der Vorsitzende des Kunstvereins Traunstein die Eröffnung der Jahresausstellung. Erstmals nach den „Auswärtsgastspielen“ im Edeka-Markt in Chieming und der Burg in Tittmoning kann die heimische Kunstszene ihre Werke im neuen Kulturforum Klosterkirche in Traunstein präsentieren. Mit dem Thema „Machtspiele“ gab es angesichts von Lockdown-Marathon, Bundestagswahlkampf, Fußball-EM und weltweiter politischer Machtdemonstrationen auch reichlich Vorlagen.

Zeitgenössische
Fragestellungen

In der Tat erstaunt die Ausstellung, die noch bis 30. Juli zu sehen ist, durch die Bandbreite der künstlerischen Ansätze, zu zeitgenössischen Phänomenen und drängenden Fragen Stellung zu beziehen. Sehr mutig greift etwa Senta Strähhuber in ihrer Installation „Insasse Nr. 13“ das Thema Fleischproduktion auf. Während sie in einem nachgebildeten Tattoo-Studio rohe Fleischstücke für den Schweinsbratengenuss auf Bestellung mit Botschaften verziert, läuft im Hintergrund ein Dokumentarfilm über die Wirklichkeit im Schlachthof. Guten Appetit!

Sentas Mutter Cosima Strähhuber verleiht dagegen in einer Installation im ersten Stock „Machtspielen“ im Kinderzimmer eine bedrohliche Realität. Durch die Art der Inszenierung mit Video, Kindergeschrei und aufgereihten „Waffensystemen“ neben Reitsattel und Matchbox-Basteleien wird der „Bedrohungslage“ allerdings ironisch die Spitze genommen.

Dass im Kinderzimmer durchaus auch Gefahrenlagen ganz anderer Dimension lauern, thematisiert die direkt daneben aufgestellte Bodeninstallation von Isolde Egger. Ihre ästhetisch sehr ansprechend gestalteten, bunten Keramiken ähneln Patronenhülsen, Vibratoren oder Phallussymbolen, die sich wie Zuschauer vor dem Kinderzimmer drängeln. „Das ist kein Kinderspiel“ kommentiert der vielsagende Titel.

Von Weltpolitik bis zu
Künstlicher Intelligenz

Ein Gang durch die Ausstellungsräume der Städtischen Galerie zeigt die Vielschichtigkeit von „Machtspielen“ und -strukturen auf. Ob auf der weltpolitischen Bühne, in Technik, in zwischenmenschlicher Psychologie, Körperbewusstsein und Ästhetik, bei menschlicher Optimierungssucht und Künstlicher Intelligenz oder in der Kunst.

„Beste Arbeit“ betitelt Uli Reiter seine Digitaldrucke selbstbewusst und treibt damit das Wetteifern der Künstler untereinander ironisch auf die Spitze. Maura Hagen nimmt in einem virtuos und detailreich als dreidimensionaler Comic gestalteten Brettspiel die „Machtspiele und deren Auswirkungen“ im Kunstverein gekonnt auf die Schippe.

Eine der inhaltlich und ästhetisch faszinierendsten Arbeiten präsentiert Claudia Weber in ihrer Multimedia-Installation „Cartilag cindaria“. In der Gegenüberstel-lung von altermeisterlichen Grafiken und technischen Konstruktionszeichnungen zeigt sie die Metamorphose von Quallen zu Knorpelteilen und Gelenkersatz. Mithin die Vergewaltigung der Natur als menschliches Ersatzteillager im Dienste der Medizin. Der zugehörige Hochglanzkatalog paraphrasiert die Quallengelenksimplantate als Big-BusinessFake und lässt den Betrachter staunen.

Mit vieldeutigen und anspielungsreichen „Umwälzungen“ nimmt wiederum Martin Fritzsche die Besucher unter dem Titel „blowin‘ in the wind“ in der Klosterkirche mit auf eine gefühlvolle Erfahrungsreise. In seiner Installation thematisiert er den Wandel des Kirchenraums durch die Jahrhunderte als Ort weltanschaulicher Fragen, Projektionen und Hoffnungen, der Suche nach Orientierung oder erlebnisreicher Kulturveranstaltungen. Der frische Luftzug bringt wie ein göttlicher Geist transparente Seitenwände in bunten Farben zum Tanzen, auf die als Impulse Fragen und Antworten projiziert werden. Meditationsmusik stimmt die Besu-cher auf ein spannendes Experiment ein.

Bis 30. Juli

Geöffnet ist die Ausstellung bis 30. Juli jeweils von Mittwoch bis Freitag von 11 bis 17 Uhr sowie am Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr. Im Begleitprogramm gibt es am Samstag, 10. Juli, ab 16 Uhr einen Filmtag im Trostberger Stadtkino mit einer Dokumentation über das „Theatre du soleil“ und den Film „1789“. Am 15. Juli um 18 Uhr gibt es einen geführten Ausstellungsrundgang mit Herbert Stahl. Am 17. Juli um 11 Uhr wird ein Werk der Ausstellung mit dem Kunstpreis „Roter Reiter“ ausgezeichnet. Erstmals wird heuer auch ein Publikumspreis verliehen.

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