Aschau – Es sind schräge Zeiten. Wenn sich Veranstalter beim Publikum allein dafür bedanken, dass es Konzerte besucht, verrät das viel über die massiven Schwierigkeiten für die Kunst und Kultur während der Corona-Pandemie. Johannes Erkes hat sich beim Publikum bedankt. Vor dem zweiten „Festivo“-Konzert erklärte der Leiter der Aschauer Reihe den Gästen zunächst die Auflagen und die reduzierte Bestuhlung.
Angst und
Verunsicherung
„Für uns Veranstalter ist das alles nicht einfach. Dass ein Konzert wie das heutige nur eingeschränkt besucht werden darf und der Kartenverkauf stockt, zeigt auch, wie viel Angst und Verunsicherung im Spiel sind.“ In Normalzeiten wäre das prominent besetzte Gastspiel mit Tenor Ian Bostridge und dem Oberon-Trio in der Festhalle Hohenaschau restlos ausverkauft und rappelvoll gewesen.
Jetzt aber wähnte man sich fast schon in einem exklusiven Privatkonzert. Die Stimmung und Atmosphäre haben darunter nicht gelitten. Bostridge und die Oberons wurden vom Publikum regelrecht gefeiert, obwohl sie mit ihrem Programm weit abseits der Trampelpfade des „Mainstream-Repertoires“ wandelten. Denn der bekannte englische Tenor ist mit Bearbeitungen britischer Volkslieder von Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven angereist.
Es sind echte Schätze und Perlen, die hierzulande viel zu wenig bekannt sind. Dabei spielen diese Volkslieder im Schaffen von Haydn und Beethoven eine ganz zentrale Rolle. So zählen die insgesamt 492 Bearbeitungen von Haydn zu dessen letzten vollendeten Werken. Erst seit 2005 sind alle Lieder gedruckt. Bei Beethoven sind es insgesamt 179 Bearbeitungen, die zwischen 1809 und 1820 entstanden sind. Im Gegensatz zu Haydn war Beethoven nie auf der großen Insel.
Wie Haydn kam aber auch er durch den britischen Verleger George Thomson auf die Idee zu diesem Projekt. Es sind vor allem Lieder aus Schottland, Wales und Irland, die beide arrangiert haben. Dabei fällt auf, dass Haydn und Beethoven das jeweilige Lokalkolorit absolut kenntnisreich in Szene setzen. Die Gestaltungen von Bostridge knüpften genau hier an. Mit viel Witz und Ironie, einer unerschöpflichen Lust an der spielerischen Pointierung und einem feinen Gespür für subtile Melancholie hat Bostridge die Vertonungen interpretiert.
Da war der „Puls eines Iren“ genauso präsent wie die „Glücklichen Kambrianer“ oder „The Britons“. Fast schon unheimlich wurde die Stimmung in „Return of Ulster“. Dabei schaffte es Bostridge, mit seiner Stimme und seiner Präsenz die gesamte Festhalle gebannt lauschen zu lassen. Wie er im Timbre abrupt wechselt, von hell und klar zu dunkel und getragen, das ist höchste Sangeskunst.
Mit unerhört wandelbarem Ausdruck dringt Bostridge in den Kern der Worte vor, um die Vielfalt ihrer Bedeutung genau zu sezieren. Das ist Liedgesang allererster Güte, wobei er von Henja Semmler (Violine), Antoaneta Emanuilova (Cello) und Jonathan Aner (Klavier) vom Oberon-Trio stilsicher unterstützt wurde. In Aschau faszinierte jetzt vor allem das Spiel von Aner. Ein Pianist war zu erleben, der mit fein ausnuanciertem, weichem Anschlag einen schillernden Farbenreichtum erwachsen ließ.
Irisches Volkslied
als Zugabe
Davon profitierte nicht nur der Gesang von Bostridge, sondern auch das Spiel der Streicher. Das offenbarte sich vollends im Klaviertrio Es-Dur Hob. XV:29 von Haydn sowie im „Geistertrio“ op. 70 Nr. 1 von Beethoven. Aner ist ein großer Kammermusiker. Als Zugabe ein irisches Volkslied von Benjamin Britten und „Sunset“ von Beethoven: Beim nächsten „Festivo“-Konzert am 9. Oktober gibt es Mozarts „Zauberflöte“ in „Taschenbuch-Format“.