Berührende Musik der ersten Einwanderergeneration

von Redaktion

Das Novus String Quartett und der Violonist Kolja Lessing begeistern beim vierten Sommerkonzert in der Klosterkirche Traunstein

Traunstein – Ernste, schwere Musik, ein anspruchsvolles und sehr berührendes Programm, mit absoluter technischer Brillanz vorgetragen vom Novus String Quartett und dem weltberühmten Violonisten Kolja Lessing – das ist zusammengefasst die Quintessenz des vierten Konzerts bei den 41. Traunsteiner Sommerkonzerten in der nicht ganz ausverkauften Klosterkirche.

„Bashrav“ von
Abel Ehrlich

Hoch konzentriert und ideal aufeinander eingestimmt spielten die vier jungen Koreaner, Jaeyoung Kim und Young-uk Kim, beide Violine, Kyuhyun Kim, Viola, und Wonhae Lee, Violoncello, zu Beginn das Streichquartett Nr. 1 opus 21 von Paul Ben-Haim, geschrieben 1937.

Sein Streichquartett Nr. 1 war sein erstes Werk, das in Palästina entstanden ist. Sehr ernst, mit tiefster Empfindung sind alle vier Sätze gehalten, eine für den Hörer eher sperrige Musik, die dem Hörer einiges abverlangt – nur das Rondo-Finale erinnert kurzzeitig an die jüdische, volksmusikalisch fröhliche Klezmer-Tradition.

Die zwei folgenden Solo-Violinstücke bestritt der 1961 in Karlsruhe geborene Ausnahmemusiker Kolja Lessing. Er spielte „Bashrav“ von dem jüdischen Komponisten Abel Ehrlich (1915 bis 2003), der, in Ostpreußen geboren wie Ben-Haim, ebenfalls zur ersten Einwanderergeneration in Palästina gehörte. Durch das 1953 komponierte Solo-Violinstück wurde er schlagartig berühmt. Der aus der arabischen Folklore entlehnte Titel „Bashrav“ verweist auf seine rondo-artige Form. Das zweite Stück, das Lessing zu Gehör brachte, war „Kol“ für Violine solo, eigens 2011 komponiert für ihn, Kolja Lessing, von seinem Lehrer Tzvi Abel (geboren 1927 und der einzig noch lebende Komponist des Konzerts). „Kol“ bedeutet einerseits hebräisch „Stimme“, verweist andererseits aber auf Lessings Vornamen.

Als letztes Stück erklang in der Klosterkirche das Streichquartett Nr.2 a-Moll opus 51/2 von Johannes Brahms (1833 bis 1897). Im Unterschied zu Haydn, der 83 Streichquartette komponierte und auch veröffentlichte, hatte Brahms Skrupel. Bevor er nach sechsjähriger Arbeit 1873 die beiden Streichquartette opus 51 veröffentlichte, hatte er bereits über 20 andere geschrieben und wieder verworfen. Auch opus 51/2 war eine „Zangengeburt“, wie Brahms schrieb.

Lebensmotto
integriert

Seine Bedenken erklären sich aus dem hohen Anspruch, den die Quartette der älteren Kollegen, Haydn, Mozart und Beethoven an jeden jüngeren Komponisten stellten. So lässt sich das Andante moderato des a-Moll-Quartetts auf ein einziges Zweitonmotiv zurückführen, aus dem alle Themen des Satzes ableitbar sind. Der Kopfsatz des
a-Moll-Quartetts ist in klarer Sonatenform aufgebaut, womit Brahms auf sein Lebensmotto „Frei, aber einsam“ anspielte.Christiane Giesen

Flucht nach Palästina

Im Jahr 1897 wurde Ben-Haim als Paul Frankenburger in München geboren und war nach der Ausbildung an der Akademie für Tonkunst sieben Jahre Kapellmeister am Theater Augsburg, wo er aber schon 1931 aus antisemitischen Gründen vom Dienst entfernt wurde. Zwei Jahre später gelang ihm die Flucht nach Palästina, wo er unter neuem Namen als Dirigent, Musikerzieher und Komponist wirkte. Er starb hoch verehrt und preisgekrönt 1984 in Tel Aviv.

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