Bad Aibling/Berlin – Peter Gall (Jahrgang 1983) ist der Jüngste aus der Bad Aiblinger Musikerfamilie und gilt als einer der besten deutschen Jazz-Schlagzeuger. Mit der NDR-Bigband war er während der Pandemie in zahlreichen Live-Streaming-Konzerten zu hören. Er hat diverse Preise abgeräumt, zuletzt im Münchner Gasteig mit seinem „Peter-Gall-Quintett“ den renommierten und mit 10000 Euro dotierten BMW-Welt-Jazz-Award.
Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des BMW-Welt-Jazz-Award.
Vielen Dank, der Auftritt im Gasteig war natürlich eine tolle, aufregende Angelegenheit. Besonders schön war es, wieder vor Publikum zu spielen.
War es ein leichter Entschluss, Ihrem acht Jahre älteren Bruder Chris in die Welt der Berufsmusik zu folgen?
Für mich war es selbstverständlich. Als jüngerer Bruder habe ich die ganzen Entwicklungsschritte – zwar aus der Ferne, weil Chris am Berkley College in Boston studierte – miterlebt, und die Musikrichtung Jazz hat mich fasziniert. Da war für mich schon mit 13 oder 14 Jahren klar, dass ich das auch so machen werde. Eine echte Alternative hatte ich nie im Kopf.
Wie hat Ihre musikalische Grundausbildung ausgesehen?
Ja, im Alter von sechs bis zehn Jahren habe ich Klavier gespielt und mit 15 dann noch mal bei meinem Bruder Unterricht genommen.
Aber schon früh sind Sie vom Melodieinstrument zum Rhythmusinstrument gewechselt. Warum?
Es hat mich immer schon zum Schlagzeug hingezogen, aber nicht, weil es ein Rhythmusinstrument ist, sondern weil ich mein Instrument als Vehikel sehe, um meinen Teil zu einem Stück oder Song beizutragen. Dabei denke ich eher in Harmonien und Melodien. Kurz gesagt, ich versuche, dem Stück zu dienen.
Da spielt doch sicher auch der Faktor eine Rolle, dass Sie im Studium auch Komposition gelernt haben?
Mit Sicherheit. Man setzt zwar viel aus dem Studium um, aber über das Komponieren habe ich mindestens genauso viel durch den permanenten Austausch mit meinen Kollegen gelernt.
In Ihrer Band, dem Peter-Gall-Quintett?
Speziell in dieser Formation, aber auch von allen anderen, für die ich schreibe und denen ich meine Kompositionen mitbringe. Allerdings möchte ich nicht der Bandleader sein, der seine Mitspieler nach vorne peitscht oder tausend Schlagzeugsolos spielt. Ich versuche, aus dem Hintergrund zu steuern, und meine Mitspieler haben so viel zu sagen, agieren auf der Bühne oft so spontan, dass es oft auch keinen Sinn macht, zu viele Vorgaben zu machen oder sie in ein Korsett zu zwängen. Da muss man sehr subtil steuern.
Ausgangspunkt des preiswürdigen Konzerts war ja Ihre vor der Pandemie erschienene CD „Paradox Dreambox“. Wie ist es gelungen, die Spannung über diese eineinhalb Jahre zu halten?
Ich habe die Krise und den Lockdown mit den fehlenden Auftrittsmöglichkeiten als Chance gesehen, mich noch einmal mit mir selbst als Musiker sowohl spieltechnisch als auch kompositorisch auseinanderzusetzen und mich weiterzuentwickeln. Außerdem habe ich viel im Heim-Studio aufgenommen und produziert. Geholfen haben mir die Live-Streams, die auch nur bedingt ein Ersatz für Konzerte vor einem interagierenden Publikum sind. Ich bin schon froh, dass meine Branche jetzt hoffentlich wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren kann.
Wann gibt es Peter Gall mit Quintett oder in anderer Formation im Rosenheimer Raum wieder zu hören und sehen?
Hoffentlich noch im Herbst, denn pandemiebedingt haben sich fast alle langfristigen Termine um mehr als ein Jahr verschoben. Aber sobald sie mit den Veranstaltern fixiert sind, kann man sie auf meiner Homepage (www.peter-gall.de) finden.
Interview: Arnulf Lüers