Ein Musikerlebnis der Extraklasse

von Redaktion

Pianist Matthias Kirschnereit begeistert mit Wort und Spiel in Schloss

Neubeuern – Das war ein Klavierabend, wie man ihn lange im Gedächtnis behält. Matthias Kirschnereit erwies sich nicht nur als ein hervorragender Pianist, sondern gab auch mit viel Charme zu jedem Werk eine lebendige und sachkundige Einführung. Im Schlosssaal von Neubeuern spielte Kirschnereit Klavierwerke von Brahms, Beethoven, Mendelssohn, Schumann und Chopin. Dabei gelang es ihm glanzvoll, die jeweils eigene Stimmung, den besonderen Zauber der sehr unterschiedlichen Kompositionen zu Gehör zu bringen.

Kirschnereit interpretierte bereits die 16 Walzer von Johannes Brahms op. 39 mit beglückender Leichtigkeit und Eleganz. Brahms schrieb mit den heiter-beschwingten Tänzen, die er später für zwei Hände übertrug, eine Huldigung an Wien. Oft fröhlich und melodisch erfindungsreich, zeigen die Tänze nicht zuletzt den inspirierenden Einfluss von Schubert. Ungarische Rhythmen kontrastieren mit norddeutscher Gefühlsschwere, die Kirschnereit bravourös erklingen ließ. Schön anzuhören war die sanft wiegende Landlerweise des berühmten As-Dur Walzers Nr. 15, ein gutes Erkennungszeichen, wie Kirschnereit in der Einführung augenzwinkernd erklärte, dass das Werk dann bald zu Ende sei.

Ergreifend war Kirschnereits Darbietung von Beethovens „Sturm“ Sonate op. 31 Nr. 2. Selten hört man das dreisätzige Werk so schwerelos und gleichzeitig tiefgründig. Im Largo/Allegro scheint die Musik aus der Stille, dem Nichts zu kommen und im Nichts zu verschwinden. Aus einem zarten, ungewissen Klanggrund entwickelte der Pianist mit großer Sensibilität das berühmte Dreiklangmotiv.

Von tiefster Ruhe bis zur stürmischen Erregung lotete der Pianist den komplexen Klangkosmos Beethovens aus. Philosophisch weihevoll, ruhig und feierlich spielte Kirschnereit das Adagio, lebendig und ohne Effekthascherei das dämonische Finale, dessen melodische und rhythmische Monotonie die Hörer bannte.

Dass Kirschnereit auf die Pedale ohne Schuhe in Socken trat, steigerte einmal mehr die Originalität seiner Darbietung. Die Aufführung von Mendelssohns „Variations sérieuses“ war ihm ein Herzensanliegen, sei doch gerade das Klavierwerk des Komponisten immer unterschätzt worden. Der Komponist sei überhaupt ein Grund dafür gewesen, dass Kirschnereit Musiker geworden ist. Die an Bach angelehnten, oft im verzweifelten Tonfall komponierten Variationen spielte der Pianist mit spürbarer Hingabe und Sensibilität.

Zu Herzen gingen die „Kinderszenen“ von Robert Schumann. Die unterschiedlichen Stimmungen der einzelnen Szenen schien der Pianist mit traumwandlerischer Sicherheit zu erfassen. Nachdem Clara Wieck die Komposition studiert hatte, schrieb sie an ihren geliebten Robert: „Ich möchte in Dir und Deinen Tönen untergehen.“ Mal voller heiterer Anmut, mal ernst, dann wieder sanft und schwerelos wie in der „Träumerei“ schuf Kirschnereit Klangbilder, die die Hörer verzauberten.

Zum Abschluss bot der Pianist das Scherzo Nr. 2 in b-Moll op. 31 von Chopin. Kirschnereits Spiel war auch hier frisch, ausdrucksvoll, lebendig und völlig unprätentiös. Die feurig drängenden Akkordfolgen am Schluss rissen die Hörer förmlich von den Stühlen.

Nach dem enthusiastischen Beifall gab es noch zwei Zugaben, ein Nocturne von Chopin und gewissermaßen als Rausschmeißer Debussys „Mouvement“.

Georg Füchtner

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