Rosenheim – Eine Frau, zwei Männer, ein Handy, einige Mappen und Taschen und etliche Stühle. An der hinteren Wand großformatige Gemälde von sensibel abstrakter Farbigkeit. Das ist die Praxis des Paartherapeuten (Oliver Schmid), die in dem Stück „Die Wunderübung“ zugleich die Kampfarena für die zerstrittenen Klienten Joana (Birgit Schier) und Valentin Dorek (Frank Magener) ist.
Komödie mit
tragischem Inhalt
Die Regie (Monique Nägele) hat es geschafft, in diese statische Szenerie Bewegung zu bringen: Stühle werden gerückt oder auf den Boden geknallt, die Protagonisten wechseln von Zeit zu Zeit ihren Standort. Das ist nicht Selbstzweck, sondern setzt Akzente und unterstreicht den momentanen Erregungszustand. Gebannt verfolgte das animierte Premierenpublikum eine Komödie, die im richtigen Leben doch eher als Tragödie in Erscheinung tritt.
Autor Daniel Glattauer ist durch seine Ausbildung Insider der Therapeuten-Branche; er kann aus dem Vollen schöpfen, aber durch witzige, zugleich tiefschürfende Zuspitzung überhöht er das rein Kabarettistische zu wirklicher Kunst.
Die beiden Männer übrigens, Klient und Berater, könnten nicht unterschiedlicher ausfallen! Valentin, groß, im grauen Anzug, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, zeigte eine provozierend grämliche, verbissene und bockige Miene. Seine Aggressionen blitzten nur in kurzen Verbalattacken auf. Der Therapeut, von Valentin Dorek zunächst als „Magister“ angesprochen, beharrt lange auf einer sanften, von gelangweilter Routine geprägten Strategie. Sein Repertoire an Standardfloskeln war beeindruckend: „Gut! Sehr gut!“ Sein Outfit: Bequeme, nicht unschicke Kleidung, die auf keinen Fall den Besserwisser herauskehren will. Joana, die einzige Frau auf der Bühne, lässt ihre zornigen Augen blitzen. Dass sie im Nu „auf 180“ wüten kann, glaubt man unbesehen…
Der Beginn der einstigen Liebesgeschichte ist skurril: Joana und Valentin lernten sich im Urlaub kennen. In Ägypten absolvierten sie einen Tauchkurs. In der Tiefe des Meeres (vor 17 Jahren!) funktionierte die erotische Anziehung perfekt. Sie: „Wir hätten nicht mehr auftauchen sollen!“ Er: „Wenigstens nicht gemeinsam!“ Dieser Schlagabtausch lässt nichts Gutes ahnen. Die Emotionen schäumen auf, die Rollenspiele mit putzigen Handpuppen laufen ins Leere, die Lage eskaliert und der mehr und mehr hilflose „Magister“ fordert energisch für sich, für die Klienten – und fürs Publikum – eine Pause.
Stimmungswechsel ab der zweiten Halbzeit. Das Schicksal schlägt zu, die Nachricht kommt per E-Mail, die Ehefrau von „Harry“, wie der Berater ab jetzt fast liebevoll familiär von Valentin genannt wird, kündigt die Wohngemeinschaft auf. Grund: Die (nach 18 Jahren!) unerträglich gewordene harmoniesüchtige Toleranz des Göttergatten! Dem Ärmsten laufen die therapeutischen Bemühungen völlig aus dem Ruder. Die Rollen verkehren sich, das „zerstrittene“ Ehepaar Joana und Valentin geben dem Magister nun ihrerseits Ratschläge, stellen Fragen, ja lesen ihm sogar die Leviten. Wie das im Einzelnen geschieht und wie die Titel gebende „Wunderübung“ ihre Wirkung entfalten kann, soll hier nicht verraten werden.
Bewundernswert jedoch, wie ohne Klamauk und doch mit viel Komik die fatalen Schieflagen nicht nur ihre berührende menschliche Seite zeigen, sondern auch beim Publikum Anteilnahme und Mitleid hervorrufen. Fast unmerklich wechseln Timbre und Stimmklang von Joana und Valentin von schneidender Härte zu versöhnlicher Weichheit. Mit sparsamen Gesten agieren Birgit Schier und Frank Magener, und das klischeehafte Kampf-Duo wandelt sich glaubwürdig zum wieder glücklichen Traumpaar…
Vom Weichei
zum Mann
Und wie ergeht es dem „Magister“? Von seinen Klienten vom laschen Weichei zum Mann gecoacht, telefoniert Harry mit seiner Ex-Gattin und schreit auf ihre Vorhaltungen empört: „Du kannst mich mal…!“ Nicht unbegründet dürfen wir also das Beste für ihn und seine wohl baldige „ehemalige Ex-Gattin“ hoffen.