Rosenheim – Günter Grünwald, der als „kleiner Bua“ in einer Herrschaftswohnung in der Theresienstraße in Ingolstadt gewohnt hat, der sich zur Abwechslung mal eine empathische Frau Nikolaus wünscht, zu dessen Familienfeiern Tante Liesbeth und ihr „sabbernder Drecksköter“ immer zu früh kommen und dessen Onkel Hans als Kind in die Erdbeerbowle gefallen ist – ja, genau der Günter Grünwald gastierte im Kultur- und Kongresszentrum mit seinem jüngsten Programm, das den Titel „Definitiv vielleicht“ trägt. Zum Nachholtermin in Rosenheim fand sich eine lange Schlange vor dem Kuko ein. Die Leute freuen sich – man merkt, es ist immer noch etwas Besonderes, wieder Kunst und Kultur genießen zu können.
Unterhaltsamer Abend
Das Versprechen, niemanden auf die Bühne zu holen, das Grünwald im Vorwort zu seiner Show gibt, setzt die Gangart für die weiteren zwei Stunden: Das Publikum muss nicht jederzeit bereit sein, bitterböse Satire über sich ergehen zu lassen, zum Gespött gemacht zu werden oder sich zu genieren. Der Kabarettist bereitet seinem Publikum einen sicheren und unterhaltsamen Abend, an dem das Programm sitzt und die Zuschauer keine Improvisationen befürchten müssen. Es ist, als ob man zusammen mit seinem Kumpel Günter im Wirtshaus sitzt und dieser in Alleinunterhalter-Manier eine lustige Geschichte nach der anderen zum Besten gibt – und dabei ziemlich derb daherredet.
Grünwald beginnt den Abend mit ein bisschen internationaler Politik, bevor er sich später Bayern und alltäglicheren Anekdoten widmet. So spottet der Kabarettist über den Ober-Taliban, den er im Urlaub mit seinem Onkel Hans in Afghanistan kennengelernt hat. Er macht sich lustig über Nordkorea im Allgemeinen und Kim Jong-un im Speziellen – „der mit dem riesendrum fetten Sauschädel“. Und garniert die Geschichten mit ein bisschen Anarchie, wie sie in jedem guten bayerischen Kabarett vorkommen sollte. Dabei zieht der Kabarettist auch über die deutsche Bürokratie, übers Schulsystem und – naja, Ärzte – her.
Grünwald nutzt die Bühne weniger, um gegen gesellschaftliche Verhältnisse anzuschimpfen, sondern um gut zu unterhalten: „Ich kann nicht viel, aber eins kann ich: Menschen schwindlig quatschen“, sagt der Kabarettist von sich selber. Seine Comedy ist weniger intellektuell fordernd, sondern vor allem derb und ungeniert. Dabei bleibt Grünwald in dieser Show politisch nicht immer ganz korrekt. Doch auch der bayerische Humor muss einem feinfühligeren gesellschaftlichen Empfinden entgegenkommen: „Hausfrau, Hausmann und diverse Person“, gendert der Kabarettist.
Frauen kommen in seinen Witzen dann aber doch ganz schön blöd rüber. Tante Liesbeth sowieso. Die lässt sich von ihrem Ehemann „Onkel Hans“ ins Krankenhaus einweisen, weil der davon überzeugt ist, dass ihre Gallenblase rausmüsse. Die ist es dann natürlich nicht, die die Tante plagt. Aber „wenn ma schon offen haben“, sind sich Arzt und Onkel Hans einig, dann können ja noch Blinddarm und Mandeln raus und die Eierstöcke brauche sie ja auch nicht mehr.
Warum kein Chinese auf der Reispackung?
Spannend wird’s, als Grünwald auf eine Werbung für „Uncle Ben’s“ Tütenreis zu sprechen kommt, auf der das Gesicht der Marke „Uncle Ben“, ein Afroamerikaner, „nie wieder klebrigen Reis“ verspricht. Schifft Grünwald jetzt auf Alltagsrassismus geschützt im Schoße der bayerischen Comedy zu? Es gehe nicht um Rassismus und Stereotype, meint Grünwald sarkastisch. Nein – es ärgere ihn besonders, dass man statt eines Chinesen einen Afroamerikaner für die Reiswerbung gecastet habe – und tauscht doppelbödig ein Klischee gegen ein anderes. Am besten wäre es natürlich gewesen, hätte man für die Rolle Günter Grünwald selbst engagiert. Dann hätte man das mit dem „bapperten Reis“ als bayerische Kurzfassung viel kostengünstiger produzieren können.
Das Zwerchfell der Rosenheimer wurde an diesem Abend ordentlich aktiviert. Auch Grünwald scheint die Show in Rosenheim gefallen zu haben, denn zum Abschluss wendet er sich an sein Publikum: „In dieser Konstellation werden wir uns nie wiedersehen. Da bin ich wirklich traurig. Hat sehr gut basst.“Rebecca Seeberg