Söllhuben – Metamorphose ist aus dem griechischen und steht für Umwandlung, Veränderung: Nach über eineinhalb Jahren ohne Kultur, ohne Musik passte der Titel Metamorphosis I im Rahmen der Nightingale Konzertreihe perfekt für den Liederabend mit Christoph Pregardien (Tenor) und Christoph Schnackertz (Flügel) im Hirzinger-Stadl. Die Zuhörer durften eine Sternstunde mit Schubert-, Mahler- und Schumann-Liedern und Klaviermusik von Philipp Glass, in beinahe intimer Atmosphäre zwischen Interpreten und Liedbegleiter, erleben. Wobei der Begriff Liedbegleiter dem Liederabend nicht gerecht wird, denn Schnackertz war an den zarten Stellen pedantisch zurückhaltend, da korrespondierte die pianistische Untermalung zauberhaft mit den p-Stellen der vertonten Gedichte. Dann wieder konnte er – jeweils passend zum Lied – eine innere Unruhe kultivieren, dort eine bedrohliche Stimmung zeichnen und da markant, attacca an den stürmischen Stellen aufbrausen, ohne vordergründig zu werden. Pregardien interpretierte jedes einzelne Lied der drei Komponisten in dramaturgischer und vokaler Gesamtheit mit unfassbarer Intensität, Akribie und Detailtreue. Von Franz Schubert (1797-1828) erklangen neun Lieder.
Das „lm Frühling“, D882, war vokale Glückseligkeit, „Tiefes Leid,“ D876, hingegen bestach durch den Weltschmerz. So viel unglückliche Verliebtheit möchte man niemand wünschen, wie sie Pregardien mit dem Gustav Mahlers „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“ besang. Man nahm ihm ab: „Ich hab ein glühend Messer.“ Und es ging noch ergreifender: Die Spannung, die Pregardien – am Flügel fantastisch unterstützt von Schnackertz – mit „Lieb und Leid, und Welt und Traum“ bei „Die zwei blauen Augen von meinem Schatz“ auskostete, war im Publikum zu greifen. Nach vier Liedern aus Gustav Mahlers (1860-1911) „Lieder eines fahrenden Gesellen“ tauchte Pregardien wieder in die Romantik von Robert Schumann (1810-1856) mit dem Liederkreis op 39 nach Gedichten von Joseph von Eichendorff ein.
Ergreifend, wie Pregardien die „Mondnacht“ gesanglich zeichnete und wie die zarten Flügelklänge das „küsste der Himmel die Erde still“ unterstrichen. Das „Zwielicht“ mit bedachtsamem Einsatz des Flügeldämpfers und gesprochener Warnung „Hüte dich, sei wach und munter“ war Spannung pur, die „Frühlingsnacht“ dagegen eine Ode an die Romantik. Pregardiens gewaltiger Stimmumfang, der selbst bei tiefen Tönen noch natürlich, unangestrengt klang, seine glasklare Textverständlichkeit und überdeutliche Artikulation, den Gefühlsreichtum, den er mal leidenschaftlich, inbrünstig, mal zartbitter, mal zaudernd darbot, das verschlug dem Publikum den Atem. Zwischen den Liedern spielte Schnackertz zwei Sätze aus den „Metamorphosen“ von Philipp Glass (geb. 1937). Die Einfarbigkeit, die minimalistische Musik, das ständig wiederholte Motiv, gespielt mit dem linken Hand, die vielen Akkorde und Oktaven, die melancholischen Melodien, das war gewollter Kontrast. Das bot Ruhe und Zeit für Meditation – vor dem nächsten Liederreigen, der in seiner Detailtreue und Feinsinnigkeit die ganze Aufmerksamkeit des Publikums forderte.
Der Liederabend mit Pregardien und Schnackertz setzte Maßstäbe: Man darf gespannt sein auf Metamorphosis II. Elisabeth Kirchner