Im System nur Wortspielerei gesehen

von Redaktion

Vortrag über Freud und Schnitzler bei der Goethe-Gesellschaft

Rosenheim – „In Rosenheim kann man Kalbsschlegelbraten mit Kartoffeln essen“, hat Sigmund Freud an seine Schwester Rosa nach Wien einst geschrieben. Mit diesem Zitat des Psychoanalytikers begann Professor Herwig Imendörffer seinen Vortrag über „Arthur Schnitzler und Sigmund Freud“.

Imendörffer sprach auf Einladung der Goethe Gesellschaft Rosenheim im Künstlerhof am Ludwigsplatz. Er skizzierte in seinem etwas sprunghaften Vortrag, der im Wesentlichen aus Zitaten bestand, mit Begeisterung den Lebensweg der beiden Ärzte, die aber nie in ihrem eigentlichen Beruf tätig gewesen seien.

Freud, der lange an Gaumenkrebs gelitten hatte, starb mit 83 Jahren 1939 im Londoner Exil, Schnitzler bereits 1931 mit Ende sechzig in Wien. Sehr früh habe Schnitzler gewusst, dass er Dichter werden wollte. Freud hingegen habe das seelische Leiden von Patienten interessiert, das er in ein wissenschaftliches System bringen wollte. Wie Sigmund Freud in der Psychoanalyse beschäftigte sich Schnitzler mit Tabus wie Sexualität und Tod, welche die bürgerliche Gesellschaft verdrängte. Im Gegensatz zu Freud offenbart sich das Wesen der Menschen bei Schnitzler nicht als Unbewusstes, sondern als Halb-Bewusstes.

1922 schrieb Freud anlässlich Schnitzlers 60. Geburtstag in einem Brief an den Jubilar: „Ich habe mich oft verwundert gefragt, woher Sie diese oder jene geheime Kenntnis nehmen konnten, die ich mir durch mühselige Erforschung des Objekts erworben, und endlich kam ich dazu, den Dichter zu beneiden, den ich sonst bewunderte.“ Begeistert war Freud von Schnitzlers Theaterstück „Paracelsus“. Freud habe sich gefragt, wie ein Dichter etwas über die seelischen Probleme wissen könne, was er mühsam am Patienten erforsche. Schnitzler seinerseits habe Freuds „Traumdeutung“ verschlungen und selbst viele Träume notiert. Beide waren auch Goethe-Fans, sagte Imendörffer. 1930 habe Freud den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt erhalten.

„Schnitzler hat in seinen Romanen und Theaterstücken die Landschaft der Seele erkundet“ erklärte Imendörffer. Theodor Reik, ein Schüler Freuds, der ein Buch über Schnitzler als Psychologe geschrieben hat, forderte gar eine neue Literaturgeschichte mit seelischen Analysen.

Das System Freuds habe Schnitzler aber als zu starr, gar als verbrecherisch empfunden. Er sah in dem System eine Wortspielerei, getreu seinem Spruch: „Wir spielen immer. Wer es weiß, ist klug.“ Georg Füchtner

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