Rosenheim – Man hätte es ahnen können: Wieder einmal applaudierte das Publikum im Rosenheimer Kuko mitten hinein in eine Symphonie. Es war die 6. Symphonie von Pjotr Tschaikowsky, die „Pathetische“. Das war aber auch verständlich, denn Aleksander Markovic trimmte das Croatian Radiotelevision Symphony Orchestra beim Geschwindmarsch im dritten Satz so schneidig auf das explosive Ziel hin – schneidig, nicht gerade fantastisch-drohend.
Orchester beginnt
mit Blitzschlag
Markovic hielt diese von Leidenschaft erfüllte Musik eher sportlich-elastisch, gleichsam Musik auf dem Trampolin. Feinheiten wie Austarieren des Orchesterklangs, sublime Klangfarbenmischungen oder das organische Wachsen und Verzahnen der Motive waren nicht sein Anliegen.
Eher das Knallige: Wie ein Blitzschlag begann das Orchester die Durchführung im Kopfsatz. Im lärmenden Rumoren fühlte sich das Orchester wohl, das schwere Blech dominierte machtvoll wirklich hervorragend. Derzweite Satz im einen Walzer dehnenden 5/4-Takt sollte eigentlich ein Lichtblick zwischen den gepanzerten anderen Teilen sein, doch nahm Markovic ihn zu behäbig.
Vielleicht wollte er diese Musik nicht so hysterisch nehmen, wie sie gemeint ist, aber dann fehlt ihr doch eine Spur an seelenentblößender Tiefe. Doch am Ende der Symphonie erstarb die Musik vorbildlich.
Mit recht unbekannter Musik hatte dieses zweite Meisterkonzert begonnen. Boris Papandopulo (1906-1991) ist ein kroatischer Komponist. Sein Divertimento für Streichorchester aus dem Jahr 1953 ist, wie es im Programmheft steht, „ein dezidiert neoklassisches Werk von gefälliger Eloquenz“. Das ist ein vergiftetes Kompliment, denn in der Eloquenz steckt doch auch die Gefahr der Geschwätzigkeit. In der Tat herrscht in den vier Sätzen oft konzentrierte Aufgeregtheit, Motive werden sehr lange durchexerziert. Sie gefallen aber auch mit Tanzlust und hübschen Pizzikato-Effekten. Diese Musik erreicht das Hirn, geht aber nicht ins Herz. Immerhin ist diese Entdeckung besser als sonst die hundertste Haydn-Sinfonie. Allerdings hätte mehr heitere Eleganz beim Spielen ihr mehr an Wirkung gebracht.
Und dann kam wieder, wie schon im letzten Meisterkonzert, ein Cellist: László Fenyö, der überaus virtuose und musikantische Solist in Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“. Edel schimmerte sein Ton, mit verführerischer, schmerzlichsüßer Kantabilität, spielerischem Temperament, und klaren Trillern. Er hatte absolut reinem Zugriff in den schnellen Läufen und mit einem kleinen, aufschluchzenden Decrescendo brachte er das Publikum zum Aufjauchzen.
Rein, klar
und konzentriert
Dabei genoss er durchaus die Rolle als Pultlöwe, spielte öfter mit geschlossenen Augen und demonstrierte offen seine stupende Virtuosität. Technisch gehört dieser Solopart zur schwierigsten Musik für das Violoncello.
Für den Applaus revanchiert er sich mit der Sarabande aus der d-Moll-Cello-Suite von Bach: So rein, so klar, so konzentriert, so innerlich versammelt und so strömend zielgerichtet gespielt, dass man von ihm alle sechs Suiten hören möchte. Eine helle Stelle inmitten von viel Tschaikowsky-Pomp.