Geigenstimmen wie Lindenbaumblüten

von Redaktion

Tiroler Festspiele Erl enden großsymphonisch – Vor allem die Bläser glänzen

Erl – Obwohl das Programm mit Tod, Liebesweh und Verzweiflung eher für ein Allerseelenkonzert geeignet war als für eine finale Dreikönigs-Matinee: Die Tiroler Winterfestspiele in Erl klangen mit einem Konzert aus, das die Großbesetzung des Festspielorchesters ins hellste Licht rückte, in dem vor allem die Bläser glänzten.

Stockender
Herzschlag

Mit dem stockenden Herzschlag der Pauke, mit leuchtend-warmem Orchesterklang und der innig-weichen Solovioline des Konzertmeisters begann die Tondichtung „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss, bis nach dem knalligen Schlag des hervorragenden Paukers der Todeskampf des besungenen Helden in schneidendscharfen und dann schwelgerisch gleißenden Tönen anhob. Der junge russische Dirigent Valentin Uryupin, der alles in festem Griff hatte, ließ das hymnische „Verklärungs“-Thema triumphierend breit ausspielen wie eine Siegesfanfare.

Auf den auskomponierten Tod folgten die liebeskranken „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler: Domen Križaj sang mit dunkel strömendem, männlich-kraftvollem Bariton diesen Liederzyklus, mit rückhaltloser, glühender Ausdruckskraft und verzweiflungsvoller, traurigsüßer Lindenbaum-Sehnsucht, bei der die begleitenden Geigenstimmen wie Lindenbaumblüten herunterwehten, bis am Ende „Lieb und Leid und Welt und Traum“ wehmütig verschmolzen. Zu Recht gab’s Bravo-Rufe für diese Interpretation.

Dmitri Schostakowitsch hatte, als er seine sechste Symphonie schrieb, ständige Todesangst vor Stalins Schergen. „Wahrscheinlich glaubten viele, ich sei nach meiner Fünften wieder aufgelebt. Nein, erst mit der Siebten begann ich wieder zu leben“, sagte er später. Die Sechste ist also ein Werk zwischen Leben und Tod. Wenn man daran denkt, klingt die sarkastische Heiterkeit der beiden schnellen Sätze wie klirrender Hohn.

Uryupin brachte das Orchester zu einem bohrend intensiven Klang, begann den ersten Satz markig entschlossen, führte es aber dann zu dem trostlos verlorenen Lamento, das Schostakowitsch hier komponiert, zu der dunkelflirrend ins Leere laufende klagenden Musik voll grelltrillernder Piccolo-Flötentöne.

Das resignative Motiv, das ständig durch die Bläser wandert, verliert sich irgendwann im geigenflimmernden Pianissimo der Klagewüste. Das Orchester folgte dem Dirigenten immer auf den Punkt genau – nur nicht in den Schlusstakten, in denen die Pauke und die Zupfbässe nicht synchron waren. Im Allegro ließ das Orchester grellwütige Freude aufblitzen, im Finale schließlich, einer Orchester-Etüde in Presto-Geschwindigkeit, jagte der Dirigent die wie entfesselt aufspielenden Musiker in einen galoppierenden Verzweiflungstaumel samt diabolischem Kirmesgeplärr. Wie ein Aufschrei kam der Applaus, den das Orchester mit der Wiederholung des zweiten Satzes beantwortete.

Artikel 5 von 9