Von Vermessungen und Vermessenheit

von Redaktion

Der Kunstverein Rosenheim zeigt Jakob Gilgs Ausstellung „Mercator“

Rosenheim – Die Erde auf eine plane Fläche zu übertragen, ist gar nicht so leicht – durch die Veränderung der Dreidimensionalität hin zu einer Ebene geschehen Verzerrungen, eben wie in der titelgebenden Projektion des Kartographen Gerhard Mercator aus dem 16. Jahrhundert. Diese Verzerrungen bei der Weltvermessung inspirierten den gebürtigen Rosenheimer Jakob Gilg zu seinen Werken, aktuell ausgestellt in den Räumen des Kunstvereins in der Kunstmühle.

Gilg, Jahrgang 1988, studierte an der Akademie der Freien Künste in München und machte vor zwei Jahren sein Diplom als Meisterschüler bei Pamela Rosenkranz, teils gefördert vom Kunstfonds des Freistaats.

Der Mensch
und seine Pläne

Die Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung stand unter tragischen äußeren Einflüssen des Krieges, dennoch waren zahlreiche Interessierte zur Vernissage erschienen. Dr. Olena Balun, gebürtige Ukrainerin, Kunsthistorikerin und Kuratorin, ging zu Beginn ihrer Eröffnungsrede auf die Situation ein, von der auch ihre eigenen Eltern betroffen sind. „Man hat ein schlechtes Gewissen, wenn man etwas Schönes macht“, konstatierte sie, betonte zugleich aber auch die wichtige Rolle der Kunst. „Kunst ist imstande, Seelenfrieden zu stiften. Und aber auch zum Nachdenken zu bringen über ernsthafte, wichtige Dinge“ – wie eben auch die Werke von Jakob Gilg, der in seinen Werken Vorhaben und Pläne von Menschen in Frage stellt.

Passend zum Ort der Ausstellung – nämlich in der Klepperstraße – hat Gilg aus Pappmaschee ein Klepperboot stilisiert nachempfunden. Ein Boot, das sich im Wasser auflösen würde – die Auflösung der Vision, die Welt im Boot zu erkunden, gewissermaßen eine Schräglage zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Manche Motive Gilgs zeigen Menschen in Bewegung und Umgebung: Das ganz aktuelle Gemälde „Mercator“ noch aus diesem Jahr (Pigment, Acrylbinder und Ölfarbe auf Leinwand) zeigt einen gebeugten Menschen, der sich in einem Gradnetz aus Längen- und Breitengraden bewegt und sich nach Pilzen bückt – das Gradnetz als notwendiger, aber einengender Rahmen, der Wunsch gilt jedoch etwas Lebendigem – eine zutiefst humane Darstellung.

Beeindruckend real ist der „Erker“: Eine jüngere Frau schaut durch Gitter nach außen, sinnigerweise in der Kunstmühle Richtung Außenfenster zur Natur, also auch hier wieder ein Gitternetz und die Sehnsucht nach einem „draußen“ – so kann man den „Erker“ vielleicht auch als „Kerker“ umdeuten. Eine frei fliegende Figur zeigt hingegen die „Wilde Jagd“ – allerdings hält die Figur einen Jagdspeer in der Hand und fliegt auf eine Küste zu. Steht ein Angriff bevor im Sinne von „Eroberung“ oder „Kolonisierung“? Skulpturen mit meist länglicher, stabförmiger Struktur gliedern zusätzlich den Raum der Ausstellung. Sie verbinden sich je nach Assoziation und Fantasie der Betrachtenden mit den Gemälden an der Wand. Doch auch aus manchen Gemälden entwachsen dreidimensionale Gegenstände, wie beispielsweise Ketten oder seltsame Hörner.

Frühlingsfarben
und Pastelltöne

Die Farben, die Gilg benutzt, sind positiv und hell, es sind frische Frühjahrsfarben und Pastelltöne, menschliches Rosa etwa für Körper. Manches wirkt archaisch, wie dreibeinig aufgestellte, vermeintlich magische Zweige, ein wenig rätselhaft wirkend. Am Donnerstag, 17. März, ab 18 Uhr laden Jakob Gilg und Leonie Felle vom Kunstverein ein zu weiterer Betrachtung, Reflektion und Diskussion.

Bis 10. April

Die Ausstellung in der Kunstmühle, Klepperstraße 19, in Rosenheim ist bis 10. April zu sehen. Geöffnet ist Donnerstag, Freitag und Samstag von 14 bis 17.30 Uhr sowie Sonntag von 11 bis 17.30 Uhr.

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