Wasserburg – Zeitgenössische Kunst zum Thema „Irrlichter“ bietet derzeit der Arbeitskreis 68 in seiner Galerie im Ganserhaus. Wegen Corona musste die Mitgliederausstellung zweimal verschoben werden. Jetzt werden die Arbeiten endlich auf allen vier Etagen des mittelalterlichen Handwerkerhauses gezeigt.
Übernatürliche
Unglücksboten
Im Volksglauben vieler Kulturen gelten Irrlichter als übernatürlich, stehen sie doch meist mit den Seelen Verstorbener, die keine Ruhe finden, in Verbindung. Bei Dunkelheit kann man dem unheimlichen Phänomen vor allem in Sümpfen und Mooren begegnen. Die Lichterscheinungen locken die Menschen in die Irre. Besonders aber sind sie als Boten für drohendes Unheil gefürchtet, wie es abergläubisch heißt.
Andreas Fischer von der Wasserburger Künstlergemeinschaft AK68 ist den Irrlichtern aus künstlerischer Sicht gefolgt. Von ihm stammt das Konzept zur gleichnamigen Mitgliederausstellung 2021/2022. 88 Künstlerinnen und Künstler haben es seinem Aufruf gleichgetan und ihre Arbeiten dazu eingereicht. Neben Malereien, Zeichnungen, Objekt- und Fotokunst sowie Collagen zeigt „Irrlichter“ auch diverse Skulpturen und natürlich Lichtobjekte im dunklen Keller der Galerie. Dort taucht die Installation „Irrungen, Wirrungen“ von Anne Meindl den ansonsten fensterlosen Raum in geisterhaftes Licht.
Fischer selbst, bekannt für seine humorvollen Gedankenmaschinen, ist auch beim Thema „Irrlichter“ seiner Arbeitsweise treu geblieben. Von ihm stammt der „WELL brainevolver 3000“, eine aberwitzige Objekt-Konstruktion aus lackiertem Holz und diversen Elektroteilen. Per elektromagnetischer Strahlung sollte es damit gelingen, Menschen in ihren Verhaltensweisen umzuprogrammieren, um ihnen sozusagen positive Eigenschaften einzutrichtern.
Dass dies immer wieder in der Geschichte bis hin zur Gegenwart wünschenswert gewesen wäre, unterstreicht auch Glaskünstlerin Ursula-Maren Fitz mit einer Mixed-Media-Installation. Das Fundament für ihre aufrüttelnde Arbeit „Irrlichter“ bildet eine alte Munitionskiste. Diese ist befüllt mit gläsernen Granaten und einem historischen Fotodokument. Fitz gestaltete daraus ein Bild in Kruzifixform. Es zeigt zwei Kirchenvertreter mit frenetischer Begeisterung für Hitler und den Nationalsozialismus.
Von durch Irrlichter in die Irre geführten Menschen berichtet auch das Triptychon „Irr-Gelichter“ von Jana Jan-Krauss. Die dreiteilige Arbeit in Acrylfarben, Modelliermasse und Kratztechnik zeigt bizarre Figuren, wild gestikulierend und mit grotesk verzerrten Gesichtern.
Dämonenwelt des
Hieronymus Bosch
Die dreiteilige Szenerie wirkt, als wären ihre Akteure soeben der Dämonenwelt des mittelalterlichen Malers Hieronymus Bosch entsprungen – eine beängstigende Kulisse, in der Kommunikationsprobleme mit Aggression beantwortet werden. Dass Geisterwesen und Gespenster aber nicht immer furchteinflößend, sondern auch unterhaltsam sein können, zeigt das farbenfrohe und humorvolle Acrylbild „Der große Sumpf“ von Marion Hupf.
Das Ausstellungsthema wurde mit großer Vielfalt, Individualität und künstlerischer Freiheit interpretiert. Die dazu entwickelten Sujets bewegen sich zwischen Licht und Schatten, Mystik und Mahnung im Hinblick auf Technik oder politische Ereignisse. In jedem Fall aber sind Qualität und Kreativität der Arbeiten bemerkenswert und vom Keller bis zum Dach der Galerie im Ganserhaus allgegenwärtig.