Rosenheim – Es war wie eine Heimkehr für den international erfolgreichen Pianisten Herbert Schuch: In seiner ehemaligen Schule, dem Ignaz-Günther-Gymnasium, gab er zusammen mit seiner Frau Gülru Ensari ein Konzert, in dem beide ihre neue CD mit dem Titel „In Search Of…“ vorstellten. Familiär war der Rahmen und fröhlich die Atmosphäre.
Schuch erinnerte sich, dass er früher genau vor dieser Bühne immer mit seiner Klasse in der Pause stand und die Lateinübersetzungen wiederholte. Beide erzählten charmant und sich gegenseitig liebevoll anfrotzelnd von den musikalischen Prägungen ihrer Kindheit in Rumänien (er) und der Türkei (sie), die vieles gemeinsam hatten und die sich auf der CD und im gespielten Programm wiederfanden. Etwas Bitterkeit mischte sich darein: Den Erlös des Konzertes stiftete das Künstlerehepaar dem Unicef-Kinderhilfswerk für die Ukraine.
Im letzten Lockdown hatten beide ausgiebig Zeit für das gemeinsame Spiel an einem oder zwei Klavieren. Das Ergebnis ist ein besonders inniges, blind sich verstehendes und vertrauendes Zusammenspiel, wobei man immer meinte, zu sehen, dass Gülru Ensari zumindest körperlich die Führung hatte.
Mit dem Stück namens „Sarmal“, auf Deutsch: „Spirale“, begann das Konzert. Der türkische Komponist Oguzhan Balci hat es eigens für die beiden Pianisten geschrieben. Es mäandert zwischen rhythmisch rasanten und ruhigen, dann tänzerischen Passagen, Läufe purzeln übereinander, dann scheint sich ein glitzernder Sternenhimmel über Istanbul aufzutun, zu dem sich sehnsüchtig flehende Melodien spannen, bis nach einem Sturmlauf der versonnene Anfang wiederkehrt.
Der Mix aus Slawischen Tänzen von Antonín Dvorák und Ungarischen Tänzen von Johannes Brahms hätte die Zuhörer etwas verwirren können, wenn nicht Gülru Ensari spitzbübisch schmunzelnd verraten hätte: „Wenn Sie etwas nicht kennen – ist es von Dvorák!“ Beide Pianisten spielten hochmusikantisch, spielerisch-elegant und fast glucksend perlend, fühlten sich tief hinein in das slawische Gemüt und mit drängender Inbrunst in die melancholische Wehmut der Ungarischen Tänze, deren bebender und brodelnder Rhythmik sie sich mit überbordender Spiellust hingaben. Den ursprünglichen Notentext füllten sie mit vielen Zwischennoten an und produzierten zwischendurch Glöckchenklänge, die vergnügt im Takt der schaukelnden Ohrringe von Frau Ensari schwangen.
Dann setzten sich beide getrennt an zwei Flügel für Tschaikowskys „Nussknacker-Suite“, arrangiert von Nicolas Economu. Beiden sah man an, wie sie das ursprünglich Ballettöse dieser Musik mitdachten und -lebten, und man hörte die orchestrale Farbigkeit mit. Fein gestanzt waren die verschiedenen Tanzrhythmen, die Flöten tanzten, die Celesta klingelte, die Harfe rauschte volltönend, der Trepak wirbelte wie ein Derwisch-Drehtanz und am Ende warfen sich beide Pianisten mit wonniger Freude in den harfenumrauschten Dreiertakt des Blumenwalzers.
Prasselnder Beifall und Jubelrufe des völlig hingerissenen Publikums erzwangen zwei Zugaben, einen Slawischen und einen Ungarischen Tanz. Slawische, ungarische und türkische Musik eines in Rumänien und Türkei geborenen Künstlerpaars für ukrainische Kinder: Musik ist international und übernational – und friedenstiftend. Daraus wird Heimat.RAINER W. JANKA