Prien – Ein in Rückenansicht am Boden sitzender Geigenspieler, eingerahmt von zwei gewaltigen Bäumen, über dessen Körper der Blick des Betrachters in die Ferne auf Wiesen, See und Berge schweift, ist das Motiv des Einladungsblattes für die Ausstellung „Auf Papier“. Das „Das Lied im Walde“ des Malers Karl Hermann Müller-Samerberg (1869 bis 1946) ist Teil der Präsentation im Priener Heimatmuseum.
Seltener
Schwerpunkt
Dass Arbeiten auf Papier im Zentrum einer Ausstellung stehen, ist ein besonderes Ereignis. Wegen der hohen Lichtempfindlichkeit und konservatorischen Rahmenbedingungen werden druckgrafische Blätter, Zeichnungen und Aquarelle nur selten und kurzfristig in Sonderausstellungen gezeigt. Ein Anliegen des Museumsleiters Karl J. Aß war es deshalb, einmal auch solche Arbeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die ausgestellten Exponate zeigen ein breites Spektrum – souveräne Variation der technischen Möglichkeiten und eigene Ausdrucksfähigkeit der einzelnen Kunstschaffenden.
Die rund 50 ausgestellten Arbeiten des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen zudem einen Querschnitt durch das reiche künstlerische Schaffen in der Chiemseeregion. Die Fülle an Leistungen, die Künstler auf Papier geschaffen haben in der Lithografie, im Holzschnitt, in der Zeichnung mit Kohle, Feder und Bleistift, im Aquarell, in Mischtechnik, in Tempera oder Öl ist eindrucksvoll.
Mannigfaltige
Kunst
Die Ausstellung geht zurück zu den ersten Chiemsee-Lithografien von Friedrich Wilhelm Dopplmayr aus dem Jahr 1815 und spannt dann den Bogen über Zeichnungen von Karl Raup, Josef Wopfner, Hermann Kauffmann und Hugo Kauffmann zu Werken von Hans Otto Schönleber, Hiasl Maier-Erding, Paula Göschen-Rösler, Theodor Hötzendorff, Eugen Croissant, Fritz Halberg-Kraus, Emil Ernst Heinsdorff zu Aquarellen von Rudolf Sieck bis hin zu Arbeiten von Wilhelm Georg Maxon, Willi Geiger, Hermine Tomanek, Wilhelm Neufeld, Max Weihrauch, Walter Lederer, Markus Gosen, Marianne Lüdicke, Walter Brendel, Lenz Hamberger, Felicitas Köster-Caspar, Willy Reichert und Sylvia Roubaud. Die Auswahl der gezeigten Werke bietet die Möglichkeit, die Kunst des 19. und 20 Jahrhunderts in ihrer Mannigfaltigkeit zu studieren.
Neben den Arbeiten auf Papier zeigt eine Studioausstellung im ersten Stock Zeichnungen von Franz von Roubaud. Die 23 präsentierten Skizzen und Vorzeichnungen, die nicht als in sich abgeschlossene Kunstwerke gedacht sind, besitzen eine beachtliche Ausstrahlung und geben einen Einblick in die Welt und das Leben der Menschen im Kaukasus.
Pferde und Reiter sind in Roubauds Zeichnungen immer präsent und waren stets ein lebenslanges Thema für ihn, der selbst ein passionierter Reiter war. Gleiches gilt von den Tieren ganz allgemein, wie in Roubauds ausgestellter Zeichnung mit Kamelen zeigt.
Roubaud suchte die wesenhafte Form, den Inbegriff des Tieres in Erscheinung, Haltung und Gebärde. Die Funktion von den ausgestellten Zeichnungen Roubauds „im Individuellen das Allgemeine zu erfassen“ wird deutlich auch an den präsentierten Porträts. Durch feine zeichnerische Verdichtungen modelliert Roubaud Körper und Gesichter. Die durchweg mit hartem Bleistift gezeichneten Motive erscheinen ebenso anwesend wie die späteren großformatigen Werke in Öl. Die Vielzahl vorbereitender Skizzen und Vorzeichnungen diente Roubaud für seine Panoramabilder.
Franz von Roubaud, 1856 in Odessa geboren, studierte an der Münchener Akademie der Bildenden Künste. Nach dem Abschluss der Studien im Münchner Atelier Josef von Brandt widmete er sich fast ausschließlich der Darstellung kaukasischer Reiterszenen. Das Leben der Tscherkessen, Truppenzüge von Kosaken, Gefechte und Reiterspiele sowie orientalische Stadt- und Marktszenen waren die Themen seiner Bilder.
Pferde und Szenen
aus dem Kaukasus
Von 1903 bis 1912 war er Professor an der Akademie von St. Petersburg. In diese Zeit fallen 25 Studienreisen zumeist in den Kaukasus. Immer wieder zog es Roubaud auch an den Chiemsee, wo er seit 1903 in Hochstätt bei Rimsting ein Landhaus besaß. Seit 1887 lebte Roubaud in München. Er starb 1928. Sein Grab befindet sich auf der Fraueninsel.
Gabriele Morgenroth