Neue Facetten eines allzu bekannten Klassikers

von Redaktion

Schauspieler August Zirner und Bassist Kai Struwe mit ihrer Interpretation des „Kleinen Prinzen“ in Aschauer Friedenskirche

Aschau/Chiemgau – „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Wer kennt nicht diesen Satz aus dem Märchen „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry? Bei diesem Buch scheiden sich die Geister. Die einen loben dieses Märchen für Erwachsene als tiefgründig und weise, während die anderen es als pseudo-philosophische Betrachtungen abtun.

Wo auch immer man sich in dieser Debatte einordnen mag: Schauspieler und Querflötist August Zirner und Kontrabassist Kai Struwe machten das Stück in ihrer Interpretation in der evangelischen Friedenskirche absolut sehenswert.

Der kleine Prinz, das ist die eigenwillige Geschichte eines kleinen, blonden Lockenkopfes, der wegen eines Streits mit seiner Blume seinen Planeten verlässt, um die Welt zu erkunden, und der in der Wüste einem abgestürzten Piloten begegnet. Ein modernes Märchen, das davon erzählt, wie sich der kleine Prinz der rationalen Sichtweise der Erwachsenen entgegenstellt. Denn der kleine Prinz ist es gewohnt, „niemals in seinem Leben auf eine Frage zu verzichten, die er einmal gestellt hatte“.

August Zirner geht in der Rolle des Sprechers auf: Er ist der kleine Prinz, der Fragen stellt, er ist aber auch der Pilot, der sich auf Augenhöhe mit dem kleinen Prinzen begibt, der König, der bewundert werden will, der Säufer, der trinkt, „um zum vergessen, dass er sich schämt,“ der Geschäftsmann, der alle Sterne besitzt, „weil er als Erster diese Idee hatte“, der Fuchs, der gezähmt werden will, die Rosen, die um ihre Schönheit wissen, und die Schlange, die den kleinen Prinzen „weiter wegbringt als ein Schiff“.

Kai Struwe sorgt dazu mit seinem Kontrabass für die akustische bildhafte Untermalung. Das ist Spannung pur, von sanft-träumerisch bis hin zu drohender Kulisse ist da alles dabei. Mal zupft Struwe gedankenverloren auf den Saiten, dann nutzt er den Korpus als Schlagwerk oder er zaubert mit dem Bogen klassische Melodien in wärmsten Tönen. Und wenn Zirner zwischen einzelnen Kapiteln zu seiner Querflöte greift, dann gibt es sanften Jazz.

Chapeau für diese Interpretation, und danke an den Verein „Kulturbühne Aschau“. Schon im Herbst hatte der Verein mit „Kultur taucht wieder auf“ dem Aschauer Hallenbad vor dem Abriss kurzzeitig neues Leben eingehaucht, diesmal war der schlicht-nüchterne Kirchenraum das perfekte Ambiente für die Wüstenszenerie. Ein modernes Märchen, kindliches, philosophisches Erwachsenenwerk oder ein sehr erwachsenes Kinderbuch? In jedem Fall ist „Der kleine Prinz“ ein Plädoyer für Menschlichkeit und Freundschaft. Und die Neuinterpretation mit August Zirner und Kai Struwe machte deutlich, dass es sich immer wieder lohnt, sich dafür einzusetzen. Elisabeth Kirchner

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