„Menschenrechtwerde wahr!“

von Redaktion

Neue Symphonie von Matthias Kendlinger

Walchsee/Tirol – Eine Symphonie mit dem Titel „Menschenrechte“ ist eh schon politisch. Dass sie aber noch politischer werden könnte, war bei der Uraufführung nicht zu ahnen: Der Komponist Matthias Georg Kendlinger vom Walchsee ist in der glücklichen Lage, für seine Kompositionen nicht nur ein eigenes Orchester zu besitzen, sondern auch ein eigenes Festival. Das Orchester sind die Kendlinger’s K&K Philharmoniker mit Sitz im ukrainischen Lwiw, zu Deutsch: Lemberg. Der beteiligte Chor ist der ukrainische Nationalchor Lemberg, und die Uraufführung fand im Juli 2021 in Lemberg statt – als diese quirlige und kultursatte Stadt noch im Frieden lag. Jetzt schlagen auch dort russische Raketen ein. Und so klagt der Chor im dritten Satz dieser Symphonie noch verzweifelter: „Wo, wo, wo bleibt das Menschenrecht?“ Und ersehnt im Finale noch hymnischer: „Menschenrecht werde wahr!“

Diese Symphonie Nr. 3 op.10 in es-Moll hat fünf b-Vorzeichen und fünf Sätze. Sie beginnt unheimlich kriegsdrohend mit einem blechbläserschweren gewaltigen und stampfenden Marsch des ganzen Orchesters, der ein klagendes Motiv, einen feinen Streicherteppich und einen melancholischen Tanz der Streicher geradezu niederwalzt. Der zweite Satz ist geprägt von sinnenden, ja gedankenschweren Streicherpassagen in schwer schreitendem Rhythmus, der sich wieder zu einem lastenden Marsch auswächst mit wie schussbereiten Bläserbatterien – alles klingt wie die musikalische Untermalung von Kriegsbildern.

Lichteres Streicherflirren kündigt im dritten Satz den Chor an, der wortreich im glühenden Sehnsuchtston nach den einzelnen Menschenrechten fragt, diesmal im hoffnungsfrohen Dreier-Rhythmus. Doch gleich darauf folgt im vierten Satz ein veritabler Menschenrechtsmarsch mit einem fulminanten Paukensolo. Dann fordert das tadellos und kraftvoll-entflammt singende Solistentrio (Anna Shumarina, Sopran, Ramón Vargas, Tenor, Stepan Drobit, Bariton) Freiheit und Menschlichkeit, während das Finale zusammen mit dem Chor und den Solisten ein einziger oratorischer Aufschrei ist – und wie eine Vorahnung des schrecklichen Krieges in der Ukraine.

Die ukrainischen Musiker und Sänger folgen bedingungslos dem hochidealistischen Anspruch des Komponisten, sehr gut zusammengehalten und immer wieder befeuert von dem Dirigenten Taras Lenko. Alles hat eine mitreißend-fordernde Wucht: Man spürt die ganze Zeit hindurch den aufrichtigen Willen des Komponisten Matthias Georg Kendlinger nach mehr Mitmenschlichkeit. RAINER W. JANKA

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