Wasserburg – Das Inklusionsensemble der Freien Bühne München überzeugte mit einer pittoresken Theaterfassung von Ibsens Versdrama „Peer Gynt“. In brillanter Sprache und farbenfrohen Bildern wurde die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der sein ganzes Leben von der Suche nach Anerkennung getrieben wird.
Doppelbödige
Moral angeklagt
Henrik Ibsen wandte sich in seinem literarischen Werk gegen die doppelbödige Moral und die Lebenslügen seiner Zeit. Im Jahr 1867 schrieb der Norweger „Peer Gynt“, ein Versdrama über die Tragik der menschlichen Existenz. Der junge Bauernsohn Peer Gynt ist ein selbstverliebter, unbelehrbarer Egoist, der mit seinen Lügengeschichten der Realität entflieht. Obgleich das elterliche Hab und Gut schon längst verloren sind, fühlt er sich immer noch, als lebe er einem Palast, auch wenn alles was ihn umgibt, heruntergekommen ist. Seine eigene Nichtsnutzigkeit verklärt Peer Gynt zum Heldentum. Im Innersten aber ist er danach süchtig, bewundert zu werden. In seiner Fantasiewelt sieht er sich zu Höherem berufen, ist von Trollen umgeben und will König oder gar Kaiser werden. Die reale Welt aber erlebt ihn als willensschwach, einer der alles anpackt und nichts vollendet. Er sieht sich als Trollprinz, König und Prophet, bleibt aber letztendlich nur ein Fantast und Taugenichts.
Unter der Regie von Ulf Goerke erlebte das Publikum wie in der literarischen Vorlage einen Peer Gynt als realitätsfremden Maulhelden und Versager auf der ganzen Linie, einer der immer wieder scheitert und doch mit sich zufrieden ist. Damit ist dem Inklusionsensemble auch ein bewegender Appell für Toleranz, Inklusion und Vielfalt gelungen: Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Peer Gynt wurde mit seinen Schwächen und Stärken zur mehrdimensionalen Figur, ein Träumer und vielleicht einer der letzten Idealisten einer romantischen Zeit. Mal wurde der Antiheld als Einzelrolle dargestellt, dann aber wieder von allen sieben Akteuren gleichzeitig gespielt.
Um seinen Hunger nach Liebe und Abenteuer zu stillen, entführt er Ingrid, die Braut eines anderen, die er aber kurz darauf wieder verlässt. Er wähnt sich im Reich der Trolle, wo er die Tochter des Trollkönigs erobert.
Doch auch hierbleibt Peer Gynt ein Getriebener, der nicht für ein Leben als Troll taugt. Er weigert sich nach diversen Prüfungen, die vermeintliche Prinzessin zu heiraten. Gleichzeitig verliebt er sich in die aus pietistischem Elternhaus stammende Solveig, die nach anfänglicher Ablehnung schließlich bis zum Ende auf ihn wartet.
Anspruchsvolle
Herausforderung
Der ständige Rollenwechsel war für die sieben Darsteller und Darstellerinnen eine anspruchsvolle Herausforderung. Jeder der Schauspieler musste sämtliche Sprechrollen beherrschen. Die zeitgenössische Adaption der Texte forderte die Akteure zusätzlich. Dazu gab jede Menge Szenen- und Kostümwechsel. Es wurde gesungen und getanzt im Reich der Fantasiewelten von Peer Gynt.
Doch Marysol Barber-Llorente, Lena Flögel, Luis Goodwin, Natalie Lehmann, Maria Ringel, Jonas Stenzel und Wolfgang Vogel spielten so, wie man es von Profis erwarten darf: in jeder Hinsicht brillant und einzigartig.