Grassau – „Wir sind zwar noch kein zweites Klagenfurt, aber wir tun alles dafür, dass es so weit kommt“, sagte Moderatorin Christine Paxmann bei der Preisverleihung des „Grassauer Deichelbohrer“-Literaturpreises im Kammermusiksaal der Sawallisch-Villa in Grassau. Zum dritten Mal wurde der im gesamten deutschsprachigen Raum ausgeschriebene Preis für die besten neuen Kurzgeschichten – diesmal zum Thema „Wildnis“ – vergeben.
Der aus Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Sebastian Fischer las die sechs nominierten, kürzlich entstandenen und bisher unveröffentlichten Kurzgeschichten.
Den mit Spannung erwarteten ersten Preis erhielt Sybille Wobser-Zheng, 1963 in Norddeutschland geboren, Sinologin, Dozentin, Sprach- und Schreibtherapeutin, für ihre Geschichte „Der freie Herr Bernstein“. Dabei geht es um eine in den Zwängen der modernen Digitalwelt gefangenen Frau, die sich unversehens von einem großen Hund mit bernsteinfarbenen Augen in die Berge und zu einem ganz neuen Leben führen lässt.
Der zweite Preis ging an Edith Anna Polkehn, 1951 in Österreich geboren und in Niederbayern beheimatet. Ihre Kurzgeschichten wurden bisher in zwölf Anthologien veröffentlicht. „Böser Bär“ ist die ergreifende Kurzgeschichte über Gewalt in der Familie aus Sicht des kindlichen Erlebens. Der dritte Preis ging an die 1979 geborene Julia Gehrig aus Landshut, Diplomsozialpädagogin und Dozentin. Ihre Geschichte „Zirbenruf“ befasst sich mit einem karrierebewussten Schriftsteller, der versucht, nach einer Art Schreibblockade seine vom Verlag schon lange angeforderte Biografie in einer Hütte fernab von der Zivilisation fertigzustellen. Nach Tagen des sich Abquälens bekommt er durch die Natur einen neuen Zugang zu sich und zum Leben. Die ersten drei erhielten eine Nachbildung eines historischen Deichelbohrers, wie er im Museum Salz und Moor zu sehen ist.
Die weiteren drei, jeweils als dritten Platz gleich bewerteten Preisträger, sind Ada Diagne aus Wien, Tochter eines Senegalesen und einer Österreicherin, Diplomjuristin, für ihre unterhaltsame Kurzgeschichte „Bintou“.
Weiterer Preisträger ist Siegfried Straßner, Jahrgang 1959, aus Nürnberg, Dozent an der Akademie Faber-Castell im Studiengang „Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus“. Den Preis erhielt er für „Das gelbe Ding“. Ebenso ausgezeichnet wurde „Into the Steuererklärung“ von Christian Roman, der als Dokumentarfilmer für SeaWatch unterwegs ist.
Insgesamt wurden 420 Kurzgeschichten aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz für den Wettbewerb eingereicht. Die Jury für den Deichelbohrer-Preis bestand aus den Autoren und Fachleuten für Literatur Janina Fallgiebel, Daniela Esch, Stefan Hanitzsch, Christine Paxmann, Uta Grabmüller, Willi Schwenkmeier und Klaus Bovers, der zusammen mit Angeline Bauer und dem Grassauer Robert Höpfner 2019 den Literaturpreis mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung der Gemeinde Grassau ins Leben gerufen hatte. Alle preisgekrönten Kurzgeschichten sind in einer sorgfältig gestalteten Broschüre zusammengefasst, dazu drei ebenso als sehr gut beurteilte weitere Kurzgeschichten.
Die stimmungsvolle Veranstaltung umrahmten drei ausgezeichnete Schüler der Musikschule Grassau, Easy Brass, Maxi Schneider und Maxi Ludwig, Trompete und Flügelhorn, Naomi Prasser, Horn, sowie der Leiter der Grassauer Musikschule, Wolfgang Diem, Baritontrompete.
Christiane Giesen