Ouzo und Bier trinken mit Aischylos

von Redaktion

Theaterinsel Rosenheim inszeniert „Agamemnon“ mit viel Action auf der Bühne

Rosenheim – Die Atriden sind die schlimmste Familie der Kulturgeschichte, da wimmelt es vor Morden: Der Urvater Tantalos setzte den Göttern, um sie auf die Probe zu stellen, seinen eigenen Sohn Pelops in Stücke geschnitten und gekocht zum Mahle vor. Pelops, von den Göttern wieder lebendig gemacht, ermordete seinen Schwiegervater und seinen Helfershelfer beim Mord. Sein Sohn Atreus schlachtete die Söhne seines Bruders Thyestes und servierte sie ihm. Thyestes zeugte mit seiner eigenen Tochter den Aigisthos, damit der wiederum Atreus, also seinen Vater und Großvater ermordet. Der Grausamkeitsgipfel ist die Geschichte um Agamemnon, des Atreus‘ Sohn, der, um günstige Winde nach Troja zu erflehen, seine Tochter Iphigenie opfert.

Erster Teil der
Orestie von Aischylos

Der griechische Tragödiendichter Aischylos schrieb über das Ende der Atriden seine dreiteilige „Orestie“, deren ersten Teil namens „Agamemnon“ jetzt die Theaterinsel Rosenheim in einer Zweistundenversion aufführte. Die Regisseure Thomas Eiwen und Angela Putner trauten dem Text (der auch noch Kürzungen hätte vertragen können) nicht genug, wollten wohl kein bloß tragisches Rumsteh-Theater und boten deshalb viel Action auf der Bühne.

Agamemnons Gattin Klytaimnestra wartet auf die Heimkehr Agamemnons von Troja. Als er mit Kassandra, der Tochter des Trojer-Königs Priamos, nach Hause kommt, erschlägt sie ihn im Bade mit einer Axt, wobei ihr Aigisthos hilft, ihr Geliebter.

Gezeigt wird das von Aischylos nicht, es wird erzählt, beredet und gerechtfertigt. Das Publikum dafür ist das Volk von Argos in Gestalt des Chors der Greise. In der Theaterinsel sind es vier leicht trottelige Bauleute (Klaus Paschke, Justus Dallmer, Thomas Eiwen, Daniel Buchin) samt Chorführer (geschliffen sprechend: Lorenz Huber), die recht lange palavern, psalmodieren und chorisch in griechischen Metren sprechen, an dem maroden Palast hämmern und sägen, dabei Bier, Kaffee mit Ouzo und Ouzo pur trinken und Sirtaki singen – was alles auch kürzer geschehen könnte. Sie sind fast immer auf der Bühne und haben die heimliche Hauptrolle. Es scheint so, als mache ihnen die schwierige pathetisch-dramatische Sprache Vergnügen.

Auch der Herold (etwas zu schnell sprechend: Angela Putner) muss sich erst eins trinken, bis er seine Botschaft loswird: Agamemnon kommt. Der (Frank Magener), in einen silbernen Anzug gekleidet, streitet sofort mit Klytaimnestra und ist recht majestätisch – was ihm aber nichts nützt. Klytaimnestra (Birgit Schier) trägt einen feuer-, ja blutroten Anzug und lässt keinen Zweifel daran, dass sie bereit ist zum Gattenmord.

Kassandra (Miriam Brodschelm), blutjung und hübschblond, wird brutal auf die Bühne geworfen, wütet und tobt daraufhin und verkündet unter drohendem Blaulicht den kommenden „Mord mit doppelscharfer Axt“ an Agamemnon und auch, dass später Orest kommt und dafür seine Mutter Klytaimnestra tötet: der Atridenfluch eben. Doch dann geht sie mann- beziehungsweise frauenhaft ihrem Schicksal entgegen, philosophiert über das Leben schlechthin in sorgfältig phrasierender Diktion, gießt sich Ouzo über den Kopf und schreitet zur Hinrichtung.

Nach dem Mord an Agamemnon rechtfertigt sich Klytaimnestra damit, dass Agamemnon schließlich die gemeinsame Tochter Iphigenie geopfert habe. Erst hier wächst Birgit Schier zu tragischer Größe.

Den Schluss macht Aigisthos, mit einem Riesenschwert drohend (augenglühend und messerscharf argumentierend: May Weyand), der seine Mithilfe mit dem Atridenfluch rechtfertigt und jetzt eine Diktatur begründet.

Klytaimnestra beschwichtigt das empörte kampfbereite Volk, also die Ouzo-seligen Bauleute, indem sie meint, es sei doch genug Blut geflossen.

Weitere Termine
bis 16. Juli

Für diesen Abend schon. Das Publikum in der ausverkauften Theaterinsel feierte sein Ensemble herzlich.

Weitere Termine gibt es bis zum 16. Juli an den Wochenenden jeweils um 20 Uhr, an den Sonntagen um 16 Uhr. Genauere Termine und Karten auf theaterinsel.de.

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