Erl/Tirol – Ein „Wagnis und Versuch“, so sagte Bernd Loebe, der künstlerische Leiter der Tiroler Festspiele Erl, sei es, die selten gespielte Oper „König Arthus“ von Ernest Chausson (1855 bis 1899) aufs Programm zu setzen. Diese Oper, die sich stark an die Musik von Richard Wagner anlehnt, hat eine Art Tristan-und-Isolde-Geschichte zum Inhalt, die am Hof von König Arthus spielt: Ritter Lancelot verliebt sich in Genièvre, die Frau von König Arthus. Die Regie führt Rodula Gaitanou, die musikalische Leitung hat Karsten Januschke. Mit ihm haben wir von den OVB-Heimatzeitungen nach einer Regieprobe gesprochen, über das Gefühl, sich wie eine Ameise vorzukommen, über musikalische Hybridwesen, das französische Fließen und das Dirigieren über Monitore.
Herr Januschke, kannten Sie „Le Roi Arthus“ von Ernest Chausson schon?
Nur vom Namen, ich wusste, dass diese Oper existiert. Ich musste erst mal in Erfahrung bringen, um was für eine Musik es sich hier handelt.
Erarbeiten Sie ein neues Werk nur aus der Partitur oder ziehen Sie CDs dazu heran?
Natürlich hört man sich schon mal eine Aufnahme an. Ich habe aber nicht viele Aufnahmen gefunden und keine von denen komplett gehört, weil ich ganz anders empfunden habe. Ich habe mich sehr an die Partitur gehalten.
„Es ist vor allem dieser schreckliche Wagner, der mir jeden Weg versperrt. Ich bin wie die Ameise, der sich ein riesiger rutschiger Stein entgegenstellt“, sagt Chausson selber. Wie sehen Sie die Wagner-Ähnlichkeit der Musik in dieser Oper? Stecken da nicht noch andere Ähnlichkeiten drin?
Das ist ja der interessanteste Punkt. Da ist dieser schrecklich übergroße Wagner, der ja auch anderen Komponisten das Leben so schwer gemacht hat, wie zum Beispiel Engelbert Humperdinck, der damit gerungen hat, wie man nach Wagner komponieren kann. Das hat auch Chausson wahnsinnig beschäftigt.
Er hat sich bei Wagner unglaublich bedient, einmal ganz massiv mit der Harmonisierung, also wie Harmonien aufgebrochen werden, zum zweiten mit der Technik des Instrumentierens eines großen Orchesterapparats, die typischen Synkopen und das Aufgegliederte und Aufgefächerte des Orchesterklangs.
Und dann gibt‘s ganz viel, was überhaupt nicht Wagner ist, nämlich die französische Musik: Ich höre ganz viel Berlioz, ganz viel Bizet, die Massenet-Dramatik und ich höre ganz massiv Impressionismus: Chausson und Debussy waren ja befreundet. Eindeutig hört man, dass viele Ideen, die Debussy später gestaltet hat, von Chausson, seinem Freund und Förderer, kommen.
Spielt all dies eine Rolle für Ihr Dirigieren?
Ja – ich bin ja selbst ein Deutscher. Aber ich versuche, die französische Art des Musizierens, das Fließende, das Übergangsreiche einfließen zu lassen.
Ich glaube, dass man Chausson weniger als deutschen, sondern vornehmlich als französischen Komponisten sehen muss.
Chausson ist ein Hybridwesen aus deutscher und französischer Kultur. Spielt das auch für die Sänger eine Rolle?
Gerade heute habe ich mit Domen Križaj, dem wunderbaren Sänger des Arthus, gesprochen: Ich fand, dass er anfangs eine Phrase mit einer gewissen burschikosen Ruppigkeit gesungen hat. Ich habe ihm gesagt: Ich würde mir wünschen, dass alles diesen französischen Fluss hat. Sehr wohl im Wagnerschen Geiste, aber mit einer Leichtigkeit und Helligkeit.
Sie sind 1980 in Bad Segeberg geboren, haben in Wien studiert und in Frankfurt eine Kapellmeisterausbildung genossen.
Ich glaube, ich bin einer der wenigen klassischen Musiker, der aus Schleswig-Holstein stammt (Lacht).
Wollten Sie immer schon Musik machen?
Mein Vater, ein Gymnasiallehrer, wollte ganz massiv nicht, dass ich Musik mache – obwohl er selber in einer Band gespielt hat. Ich musste sehr darum kämpfen. Als Fünfjähriger habe ich im Radio das Mozart-Requiem gehört: Das hat mich so begeistert, dass ich klassische Musik machen wollte.
Was dirigieren Sie lieber, Oper oder Konzert?
Man mag ja immer gerade das lieber, was man grade nicht macht. Ich komme aus der Oper, aber ich habe immer wahnsinnig viel Spaß gehabt bei Konzerten, weil es manchmal leichter ist: Man hat ja nur das Orchester und keine organisatorischen Probleme und kann sich wesentlich mehr auf das Musizieren konzentrieren. Aber wenn ich nur Orchester dirigieren würde, würde mir die Zusammenarbeit mit den Sängern und Chören an der Oper fehlen.
Wie machen Sie das technisch: Sie stehen mit dem Orchester ja hinter der Bühne und hinter den Sängern?
Mit sechs analogen zeitgleichen Monitoren, die in der ersten Reihe stehen. Wir haben intelligente Sänger, die wissen, wann sie hinschauen müssen.
Und was müssen Sie als Dirigent da anders machen?
Man muss vertrauen! Eigentlich hat man als Dirigent nie den besten Klangeindruck, weil man im Auge des Orkans steht, umgeben vom Tosen des Orchesters. Aber hier funktioniert es wunderbar, vor allem hat man die Nähe zu den Sängern, die Zuschauer sind auch viel näher an den Sängern und verstehen sie besser.
Wie zufrieden sind Sie mit den Arbeitsbedingungen hier in Erl?
Ich bin sehr gerne hier, das Orchester hier hat eine große Offenheit. Ich finde die ganze Umgebung schön, gerade für mich als Norddeutschen.
Ich liebe es mittlerweile, zu wandern, bin jetzt gerade in Ellmau rumgekraxelt. Und hier ist ein sehr gutes Arbeitsklima, hier wird freundlich miteinander umgegangen.
AUTOR: RAINER W. JANKA