Amerang – Groß war die Freude über das Wiedersehen mit den Weltmusikern von Quadro Nuevo auf Schloss Amerang. An zwei Abenden in Folge konzertierte das gefragte Quartett in der Besetzung Mulo Francel (Saxofon, Klarinette), Didi Lowka (Kontrabass, Perkussion), Andreas Hinterseher (Akkordeon, Vibrandoneon, Bandoneon) und Chris Gall (Piano) im Arkadenhof. Die Musiker nehmen ihr Publikum mit wohligen Klängen des „Sambadi Didi“ aus dem 2020 veröffentlichten Album „Mare“ sanft in Empfang. Ein Samba wohlgemerkt aus Amerang, aus der Feder des Bassisten Lowka. Nach Südamerika geht es mit einem traditionellen Tango der 1930er-Jahre, „Por una Cabeza“ von Carlos Gardel, der Stimme Argentiniens und ein Mythos bereits zu Lebzeiten. Die Musiker bleiben betont unaufgeregt, Francel klopft mit den Fingern lässig den Takt auf sein Saxofon, um ihm schon im nächsten Augenblick höchste Töne zu entlocken. Auch „Torna a Surriento“ spielt auf Legenden an, große Tenöre von Caruso über Lanza bis Pavarotti, die das neapolitanische Lied in die Welt trugen, nicht zu vergessen Dean Martin („Come back to Sorrento“) und Elvis („Surrender“). Quadro Nuevo verzaubert mit seiner sehr intimen, zarten Interpretation des Sehnsuchtslieds, die Assoziationen erweckt an eine Vollmondnacht am Meer, eine einsame Strandbar, in der ein verliebtes Paar zum Tremolo-Klang der Mandoline eng aneinander geschmiegt tanzt… Die Magie des offenen Meeres, tanzende Wellen und kraftvolle Strudel, mag das energetische, vom Piano getragene Stück „Yorke‘s Guitar“ heraufbeschwören, mit Melodien zum Hineinlegen und Darinversinken. Chris Gall dachte beim Schreiben der Noten allerdings primär an den von ihm verehrten Briten Thom Yorke, Frontmann der Ausnahmeband Radiohead.
Nicht weit vom Meer entfernt liegt São Paolo, eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt. Wer angesichts 20 Millionen Einwohnern Beklemmungen verspürt, der irrt. São Paolo sei überaus friedlich, versichert Andreas Hinterseher. An allen Straßenecken würde gelacht und getanzt. So jedenfalls habe er es in Erinnerung. Bei der Instrumentenwahl höre der Spaß allerdings auf. Wer brasilianischen Samba mit dem Bandoneon – das untrennbar mit dem argentinischen Tango verbunden ist – spiele, der würde „geteert und gefedert“. Dann stimmt der humorvolle Bayer auf dem Akkordeon „Ragazzo Samba“ an, eine federleichte Komposition von Chris Gall, die ebenfalls dem Album „Mare“ entstammt. Das Meer sollte die Musiker längere Zeit beschäftigen. 2021 folgte die Vertonung der gemeinsamen „Odyssee“: auf den Spuren des homerschen Helden, des legendären Seefahrers Odysseus. Sein Debüt in Amerang feiert am Konzertabend das vom sanften Wispern des Saxofons dominierte Stück „Waiting“, eine Reminiszenz Mulo Francels an Penelope, die dem griechischem Mythos nach 20 Jahre auf die Rückkehr ihres Gatten warten musste. Dass das Leben auf dem Schiff kein Pappenstiel für die Musiker, die als „Matrosenanwärter“ den bellenden Befehlen des Kapitäns Folge leisten mussten, gewesen ist, dokumentiert Chris Galls vertontes Segelkommando „And, Pull!“ für alle Zeiten. Hörvergnügen pur garniert mit allerlei Seemannsgarn – das Fazit für den Abend auf Schloss Amerang. Angela Pillatzki