Murals – mehr als bunte Mauern

von Redaktion

Das „Transit Art Festival“ hinterlässt in Rosenheim seine Spuren

Rosenheim – Julian Strohmeier, alias „dyrtihands“ und Rosenheimer des Jahrgangs 1996, sitzt vor „seiner“ Wand am Finsterwaldergymnasium und macht gerade eine schöpferische Pause. Ein ganz kleines Stück fehlt noch an seinem „Mural“-Wandgemälde, dann ist er fertig. Umgang mit der Hebebühne, gekonnter Einsatz der Farben und selbstverständlich grafisches Verständnis mit einem Konzept, alles das gehört mit dazu bei den Künstlern, die gerade das nunmehr dritte „Transit Art Festival“ unter Organisation der Städtischen Galerie bespielen.

Wandbilder
sind keine Graffiti

Sie grenzen sich ab gegenüber „Graffiti“-Kunst, denn bei ihnen geht es im Gegensatz dazu um bildliche und meist figürliche Darstellungen. „Mr. Woodland“, der bereits zum dritten Mal in Rosenheim dabei war, gestaltete ein liegendes Frauenporträt hinter dem Lokschuppen, die beiden aus Barcelona stammenden Spanierinnen Elisa Capdevila Galiot und Alba Fabré Sacristán wählten sich aus eigenem Archiv einen Jungen beim Genuss einer Melone – eine große Wand am Gartencenter Nickl. „Loomit“ hingegen, einer der Pioniere der Mural-Kunst in Deutschland, zauberte eine farbenfrohe Fantasielandschaft mit Riesenpilzen und roten Salamandern unter die Mangfallbrücke in der Innstraße. Das knallige, an Andy Warhols Pop-Art-Werke erinnernde Frauenporträt von „El Bocho“ aus Berlin möbelt ein nüchternes Verwaltungsgebäude in der Tegernseestraße auf: „Schaut gut aus, jetzt seh ich‘s auch zum ersten Mal“, kommentiert ein sportlicher Mann schmunzelnd auf dem Weg ins Büro. Stärker exponiert als in der Tegernseestraße ist die riesige Wand am ehemaligen Sport-Karstadt in der Münchener Straße. Dort hat der Belgier „NEAN“, einer der Protagonisten der europäischen Szene, ein Motiv in rötlichen und lila Tönen hinterlassen.

Es zeigt einen jungen Mann, nachdenklich wirkend, auf einem Gipfel, eine traumhafte Berglandschaft ringsum. Das Motiv wirkt fotorealistisch, was die Spezialität von NEAN ist, der sich seine Fähigkeiten zunächst innerhalb eines Kunstkollektivs namens „Propaganza“ aneignete.

Es lädt ein zum längeren Betrachten, passt auch gut in die Stadtfluchten Rosenheims, die sich an mehreren Stellen „hin zum Berg“ öffnen. Ortswechsel: Stephan Hohenthanner, ebenfalls gebürtiger Rosenheimer und Wahl-Hamburger, ist ebenfalls so gut wie fertig am Modepark Röther. Sein Werk zeigt drei Personen in einem Ruderboot, in knalligen roten und grünen Tönen, was gut zum Nachbarkunstwerk passt.

Ein wenig den Nacken verrenken muss man schon bei der Betrachtung, denn die Mauer des Nachbargrundstücks bildet ein Hindernis. Wieder zurück zu Julian Strohmeier: Gefragt nach seinen nächsten Vorhaben, zählt er auf – er ist gut ausgebucht: Er fährt nach Rosenheim nach Graz, dann stehen Projekte an in Innsbruck und in München.

Projekte sogar
auf den Philippinen

Und dann international – für ein weiteres „Mural“-Projekt ist er auf die Philippinen eingeladen.

In Rosenheim hatte er am abgerissenen, ehemaligen Kino das Motiv von Elisabeth Block gestaltet, Mitglied einer jüdischen Familie und Opfer des Holocaust. Sein Bild am Finsterwaldergymnasium zeigt eine solidarische Rettung: Ein „oben“ postierter Mensch ergreift einen ausgestreckten Arm, den Hintergrund bildet ein Stapel Bücher. Die Rosenheimer „Murals“ sind eben mehr als nur bunte Wände, es können auch ganze Geschichten dahinter stecken.

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