Amerang – Am 24. Juli beschließen Chor und Orchester der Opernfestspiele Schloss Amerang die Saison mit Donizettis Opera buffa „Der Liebestrank“ („L’elisir d’amore“). Zuvor noch widmeten sie jenem Sänger einen Abend, der in der Rolle des Nemorino seine absolute Paraderolle fand: Luciano Pavarotti. 1988 wurde der Startenor an der Deutschen Oper Berlin nach einer Aufführung mit einem Applaus von 67 Minuten mit 115 Vorhängen gefeiert und erhielt damit einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde.
Von den Medien zum legitimen Nachfolger Enrico Carusos erhoben, war der stattliche Italiener seit Mitte der 1970er-Jahre aus der Opernwelt nicht mehr wegzudenken. Pavarotti sang für ein Millionenpublikum, machte in den 1990er-Jahren unter dem Label „Pavarotti & Friends“ den Crossover aus Klassik und Pop salonfähig und füllte bei seinen Auftritten ganze Fußballstadien. 2007 starb der Tenor.
Unvergessen bleiben seine Interpretationen von „O sole mio“ und „Nessun dorma“. Den Konzertabend auf Schloss Amerang, der unter der musikalischen Leitung von Stefano Seghedoni steht, eröffnet die argentinische Mezzosopranistin Mariana Pedrozo mit der berühmten Arie der Carmen „Seguidilla“. Nach dem soliden Auftakt betreten die Sängerinnen und Sänger nun abwechselnd die Bühne, wo ein übermannsgroßer Pavarotti von einem Transparent aus seine Arme dem Applaus entgegenstreckt.
Es folgt nicht etwa die „Blumenarie“ des Don Jose, sondern das düstere „Eri tu“ aus Verdis „Un ballo in maschera“, das Bariton Nejat Isik Belen mit ernster Miene vorträgt. Mit Roger Krebs betritt ein großer Mann mit schwarzem Bass die Bühne. Es bleibt düster: „Studia il passo mio figlio“ aus Verdis „Macbeth“.
Wohltuend der betörende Sopran Selin Dagyarans, die für ihren Vortrag der Arie „Io son l’umila ancella“ aus „Adriana Lecovreur“ (Franceso Cilea) mit dem ersten großen Applaus des Abends belohnt wird. Der Pavarotti-Moment lässt derweil auf sich warten.
Aber er kommt: mit dem Argentinier Gabriel Arce. Der junge Tenor bringt die Romanze „Una furtiva lagrima“ aus dem „Liebestrank“ mit und singt sie mit zartem Schmelz. Belcanto, endlich! Fernando Araujo weiß die Euphorie noch zu steigern. Der extrovertierte Bariton entlässt als selbstverliebter Barbier von Sevilla ein begeistertes Publikum nach der populären Arie „Largo al Factotum“ (Figaro! Figaro! Figaro!) in die Pause.
Die Canzone napoletana mit klassischen Evergreens wie „Torna a Surriento“, „Core`ngrato“ oder „Funiculi, Funiculà“ verdankt ihren weltweiten Ruhmeszug der Erfindung der Schallplatte und dem Neapolitaner Caruso.
Pavarotti, selbst aus Modena, erwies seinem großen Vorbild gewissermaßen seine Referenz, als er sich das volkstümliche Lied ebenfalls zu Eigen machte. In Amerang erweisen die Sängerinnen und Sänger wiederum Pavarotti die Ehre und setzen den zweiten Schwerpunkt auf jene der italienischen Oper nahe Gattung. Der neapolitanische Dialekt stellt dabei durchaus eine Herausforderung dar, die vor allem die Argentinier im Ensemble bravourös meistern. Aber auch der Türke Nejat Isik Belen kann mit seinem konzentrierten Vortrag des Lieds „I‘ te vurria vassa“ (Ich möchte dich küssen!) von Eduardo di Capua überzeugen.
Bei Rossinis „La danza“, ein im schnellen Rhythmus der neapolitanischen Tarantella komponiertes Stück, schwingt Gabriel Arce die Töne mühelos in die Höhe und manifestiert seine Stellung als Favorit des Abends ein weiteres Mal.
Der junge Tenor ist es schließlich auch, der mit Verdis „Nessun dorma“ und di Capuas „O sole mio“ – begleitet vom ganzen Ensemble – die gefeierten Schlussakzente setzt.Angela Pillatzki