Herrenchiemsee – Wo sonst abends magische Stille herrscht, wurde es magisch laut mit Schubert und Beethoven. Die Spiegelgalerie des Schlosses Herrenchiemsee bot dem Concerto Köln, seinem Konzertmeister und Solisten Evgeny Sviridov und Dirigent und Schirmherrn Kent Nagano den perfekten Rahmen. Das Concerto Köln zeigte bei Franz Schuberts (1797-1828) Symphonie Nr. 5 B-Dur D 485 nuancenreiche Vielfalt, duftig angelegtes instrumentales Singen, Filigranes, Begeisterung und zuweilen Übermut. Dazu der extrem durchsichtige, helle, schwebende, diskret leichte Klang – da schimmerte Mozart durch, Geschichten mit Handlungssträngen, wie sie auch in Mozart-Opern zu finden sind.
Erfrischende Passagen
mit ordentlich Drive
Fließende Handbewegungen, ein entspanntes Lächeln – unter Kent Naganos sorgsam eingesetzten Dirigat sorgte das Concerto Köln für spannende Steigerungsmomente. Erfrischende Passagen mit ordentlich Drive, das richtige Quantum an Dramatik für Kontur, keine klebrige Süße, sprühend, brillant und beinahe unverschämt perfekt, das war ein charakterstark musizierter Schubert, dem gleich der nächste Höhepunkt folgte. Das Konzert in D-Dur für Violine und Orchester op. 6 von Ludwig van Beethoven (1770-1827) geriet zu einem symphonischen Gewebe, aus dem die Solovioline, eine Barockgeige von Gennaro Gagliano (Neapel 1732), als Gleiche unter Gleichen hervortrat. Das Concerto Köln baute unter Kent Nagano Spannung auf, barocke Akzentuierungspraxis vereinte sich da mit Mannheimer Klassik und Romantik. Der Ensembleklang wuchtig, aber auch schnell und präzise auf die Winke Naganos reagierend, einige Sforzati geradezu sensationell in ihrer Plötzlichkeit. Der Solopart im ersten Satz verlangt hinsichtlich Technik, Formgefühl und Intellekt alles ab, ein Klangraum von über 500 Takten, den Sviridov mit Ausdruck, Spannung und kantabler Linie zu füllen wusste. Das Larghetto, der langsame Mittelsatz, wurde zum harmonischen Zwiegespräch zwischen Sologeige und Ensemble. Eine Welt kantabler und empfindsamer Lyrik tat sich da auf, zart, behutsam, schmelzend. Ganz anders dann das Rondo-Finale, forsch und federnd im Sechsachteltakt, ein unverfänglicher, tänzerischer Kehraus. Sviridov spielte seinen Solopart klar, verwegen und hingebungsvoll aus, kultivierte Artikulation, Tongebung und Phrasierung in feinem Ton, lotete virtuos die klanglichen Möglichkeiten aus, die sein Instrument in den verschiedenen Lagen zu bieten hat. Dazu der fein ausbalancierte Orchesterklang.
Spannung ab dem ersten Paukenschlag
Das war Spannung vom ersten Paukenschlag an. Nach Standing Ovations zwei Zugaben: Schuberts Rosamunde-Ouvertüre und ein Mozart-Satz, bei dem künstlerischer Schirmherr Kent Nagano Sviridov, dem Konzertmeister des Ensembles, das Dirigentenpult, überließ. Wahre Festspiele, bei denen das höfische Zeremoniell und die Alphorn-Bläserweisen in der Pause nicht fehlen durften. Ein musikalisches Vergnügen an einem magischen Ort. Heuer gilt es 20 Jahre Festspiele zu feiern. Da war dieses Konzert perfekt geeignet, ein Abend voller Höhepunkte mit höchster Dirigier- und Musizierkunst, der dem Motto der Festspiele perfekt gerecht wurde: Der Welt entrückt.