von Redaktion

Festspiele Herrenchiemsee Klavierkonzert und Symphonie von Beethoven

Herrenchiemsee – Beethovens Musik: Oft gegen den Strich gebürstet, man hört die geballte Faust und den kompromisslosen Willen. Da kann sich der Zuhörer nicht einfach zurücklehnen und sich in bloßer Schönheit versenken. Und genau diese Spannung bis zum letzten Schlussakkord zu halten, gelang Kent Nagano mit dem Orchester der KlangVerwaltung. Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre op. 62 ging ganz unmittelbar unter die Haut mit ihrem Tempo. Energische Schläge, Dissonanzen, vorwärtsdrängend, bis zum tragischen Ende – wenn die letzten Pizzicati verklingen.

Von der Explosivität zum Pianissimo

Weiter ging es mit der Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73. Heroische Klänge (das Konzert trägt ja auch den Namen „Emperor-Konzert“) und viele überraschend friedliche, intime Momente taten sich da im Zusammenspiel von Stefan Stroissnig am Flügel und dem Orchester auf. Weg von der lauten Explosivität des ersten Satzes hin zu einem Pianissimo des Flügels gegenüber einem Pizzicato bei den Streichern oder gegenüber einem einzelnen Blasinstrument. Weg von der strotzenden Kraft mit marschartigen Klängen hin zu einer Friedfertigkeit in träumerischen Ces und Ges. Trat das Orchester im ersten Satz von Beethovens 5. Klavierkonzert in einem martialischen Gegenpart gegenüber dem Solisten auf, so wurde es im Adagio un poco moto zum freundlichen Begleiter.

Gerade hier spielte Stroissnig seine lyrischen Qualitäten aus, schwebend leicht glitten die Töne des Flügels über dem Klangteppich des Orchesters dahin. Technisch leichtgängig, holte er Schattierungen und stimmliche Transparenz aus dem Solopart heraus. Da wurde zelebriert. Aber doch in einer intimen Nähe, in der alle Mitwirkenden sehr genau und präzise reagierten. Stroissnig als sich romantisch entfaltender Solist blieb sich auch im dritten Satz, dem tänzerischen Rondo, treu, da herrschte gelöste Spannung, die sich noch weiter auftat in der Zugabe Stroissnigs mit Franz Schuberts (1797-1828) Impromptu in Ges-Dur op. 90 no 3. Lyrisch, kompakt, weich, linkerhand gebrochene Dreiklänge con pedale, rechterhand die sanft fließende, verträumte Melodie, die im Mittelteil tragische Züge annahm und doch schließlich sanft verklang. Genau diese Sanftheit, diese Ruhe, diesen Frieden brauchte es für den zweiten Teil des Konzerts. Denn bei Beethovens Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 waren Orchester und Publikum gleichermaßen dabei. Da gab es kein Zurücklehnen mehr. Kent Nagano, der noch im ersten Teil mit sanften, wenigen Handbewegungen dirigiert hatte, forderte hier vom ersten Moment an volle Konzentration und Aufmerksamkeit. Voller Elan, erfrischend flott der erste Satz, das Allegretto dann zwar langsamer, wehmütig, schwervoll, mit Trauermarsch-Rhythmus und sich wiegenden Melodien, aber dennoch eben ein allegretto. Das Scherzo im Presto forderte Präsenz, die vielen Fortissimi und Akzentuierungen erklangen kräftig und energisch, ohne ins Monumentale abzugleiten.

Noch intensiver ging Kent Nagano mit seinem Orchester das Finale allegro con brio an: Sehr schnell, sehr dicht und mit großem Farbreichtum.

Präsenz und
Klangtiefe

Jede Variante wurde auf ihre Weise ausgesprochen transparent und bis in die kleinste Phrase ausgestaltet. Und eben sehr, sehr allegro. Da wuchs das Orchester der KlangVerwaltung quasi über sich hinaus und setzte sich die Kraft von Orchester und Dirigenten vollkommen in Musik um. Die Rhythmik nicht steif und brachial, sondern federnd und voller Drive. Das Spiel mit den Lautstärken, mit Steigerungen, die ins Nichts führen, mit Akzenten auf dem unbetonten Taktteil, mit wilden Ausbrüchen und geflüsterten Bekenntnissen. Eine unglaubliche Präsenz. Eine Klangtiefe, die sich durch die Aufstellung der Streicher – die Bässe hinter den ersten Geigen, in der Mitte Celli und Bratschen, die zweiten Geigen gegenüber den ersten – noch verstärkte. Wahrlich dynamische und radikale Frische.

Dynamische und radikale Frische

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