Halfing – Die Ouvertüre von Figaros Hochzeit stimmte die Gäste im gut besuchten Festspielhaus des Immling- Festivals so ganz auf das ein, was „versprochen“ war: das Beste von Mozart im Gala-Format – folgenschwere Verwechslungen, Liebes-Verwirrungen, Melancholie und Zorn, Lug und Trug, Eifersucht und immer wieder heißes Begehren. Mozart verarbeitete emotions- und klangfarbenreich zu Opernstoff, was damals wie heute die Essenz prallen Lebens ist. Die Mozart-Gala, ein kurzweiliger Querschnitt aus Musik und Lesung, stellte sich als echtes Spielzeit-Highlight heraus.
Kein Komponist
von idealen Welten
In kluger, auf die Werke abgestimmter Auswahl, hatte Verena von Kerssenbrock entsprechende Textauszüge von und über Mozart ausgewählt, welche sie hinführend, ergänzend und zuweilen in szenischem Spiel gemeinsam mit den Solisten, darbot. „Er war nicht der Komponist idealer Welten, er war ganz hier, er komponierte menschliche Wahrheit und Wirklichkeit“, beschrieb ihn Elke Heidenreich trefflich. Mozart bewegt die Gemüter.
Seine Musik war genau das Richtige für einen schwülen Sommerabend am Opern-Ort Immling. Das für den Abend angesagte Gewitter blieb aus. Dafür gab’s, seitens der aufführenden Musiker, bühnenreife Hitze- und Gefühlswallungen am laufenden Band – vom (und für den) unsterblichen Mozart. Superstar Mozart schien die mitwirkenden Musiker, das Festivalorchester, den Chor und die Solisten Diana Alexe, Elodie Hache, Margarita Gritskova, Tuncay Kurtoglu, Jirí Rajniš und Kangyoon Shine Lee dermaßen mit dem Gefühlsstoff seiner Kompositionen infiziert zu haben, dass es nur so flirrte und schimmerte. Die musikalische Leiterin Cornelia von Kerssenbrock legte noch einmal ein Höchstmaß an Temperament ins Dirigat, peitschte, wirbelte und formte Musik – die Einsätze der Musiker kamen prompt mit entsprechender Intensität. Energetisch angefacht gaben die Musiker also ihr Äußerstes und legten gleich noch, ganz charmant, eine mozärtlich verspielte Schippe drauf. Los ging‘ s mit „Non piu andrai“ (Figaro) aus „Le nozze di Figaro“: Page Cherubino wird für‘s Militär gebrieft. In „Non so piu cosa son“ besingt Cherubino glaubhaft seine Liebesnöte und in „Aprite presto aprite“ ist das Liebestohuwabohu bereits in vollem Gange. Kleine szenische Einlagen riefen den Opernfans den witzigen Plot ins Gedächtnis. So auch im Terzett „Cosa sento! Tosto andate“. Die Sinfonie Nr. 40 in g-Moll ist eine der meistgespielten Orchesterwerke Mozarts. Eine schöne Idee, ihren 1. Satz als Überleitung von „Figaro“ zu „Don Giovanni“ fungieren zu lassen. Opernkenner wissen, dass der Don-Juan-Stoff damals wegen seiner Amoralität grundsätzlich abgelehnt wurde. Mozarts „Don Giovanni“, 1787 in kongenialer Zusammenarbeit mit dem Librettisten Lorenzo da Ponte entstanden, wurde von Richard Wagner als „Oper aller Opern“ bezeichnet. Auch für Tschaikowski war es die „herrlichste Oper, die es gibt“, wie aus Kerssenbrocks lebendig gestalteter Lesung zu erfahren war. Mehr noch, erfuhren die Zuhörer über Tschaikowskis Mozart-Liebe: „Mozart verdanke ich, dass ich mein Leben der Musik widmete.“ Der kometenhafte Opernerfolg ist beim Erklingen dreier Werke – „Non mi dir, bell’idol mio“, das Quartett „Non ti fidar, o misera“ und Giovannis Champagnerarie „Fin ch´han dal vino“, nachvollziehbar.
Zu „Idomeneo“ leitete das Allegro assai der Sinfonie Nr. 40 über. Gekonnt furienhaft „wütete“, Elodie Hache als Elektra vor dem Publikum und zeigte mit ihrem Gesangsauftritt unmissverständlich, wie es sein muss: „O smania! O furie!“. Wohltuend dimmte der Chor mit volltönendem „Godiam la pace“ die Stimmung zur Pause runter. Im zweiten Teil bekamen die Opern-Fans die Konzertarie „Ah lo previdi“ kredenzt. Zwischen mehreren Werken aus „Die Entführung aus dem Serail“ und „Cosi fan tutte“ geleitete das prächtig aufspielende Festspielorchester die Zuhörer mit der „Haffner-Symphonie“ KV 385 in ein beflügelndes mozärtliches Tagtraumereignis.
Liebesgruß
an den Tondichter
„Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viele Noten, lieber Mozart!“– sagte der Kaiser am Ende der Erstaufführung der „Entführung“ zu Mozart, worauf dieser antwortete: „Grade so viele Noten, eure Majestät, als nötig sind.“ Die Opernliebhaber hätten wohl, der kurzweiligen Musik- und Textvorträgen nicht genug, gerne noch weiter im mozärtlichen Gefilde geschwelgt, noch mehr Briefe und Anekdoten zur Musik gehört. Serail-Juwelen, wie „Solche hergelaufne Laffen“ (Osmin), „Durch Zärtlichkeit und Schmeicheleien“ (Blondchen), „Ich gehe, doch rate ich Dir“ (Osmin, Blondchen) und Cosi-fan-tutte-Spezialitäten wie „Un’aura amorosa“ oder das Terzett „Soave sia il vento“ ließen Opernträume wahr werden. Zugabe war Ehrensache: „La ci darem la mano“ aus Don Giovanni, ein letzter Immlinger Liebesgruß an Mozart.